Haus von außen: Wien hat jetzt ein Raufschaumuseum
Magdalena Hiller und Gabriel Roland fotografieren Kunst auf Wiener Fassaden. Ihre Sammlung kuratieren sie auf Instagram – mithilfe der Wienerinnen und Wiener
Alles, was senkrecht auf der Fassade von Häusern klebt und zwischen 1919 und 1989 entstanden ist. Nicht nur, aber vor allem in Wien. Darum geht es Magdalena Hiller und Gabriel Roland. Das fotografieren sie. Das sammeln und veröffentlichen sie auf Instagram – in ihrem „Raufschaumuseum“ (www.instagram.com/raufschaumuseum).
Begonnen hat alles im Corona-Lockdown. Damals, als man – eigentlich – nichts anderes tun durfte, als spazieren zu gehen, ist es ihnen aufgefallen: An vielen Wiener Hausfassaden ist Kunst zu sehen. Mosaike, Reliefs oder Sgraffiti. Meistens läuft man allerdings dran vorbei. Außer, man schaut hinauf.
Das haben Magdalena Hiller und Gabriel Roland (beide 31) gemacht. Und einander gegenseitig immer wieder Fotos von Kunst am Bau geschickt. Die Idee, erzählen sie, hatten sie „ewig“ im Kopf. Bis sie irgendwann befunden haben: Das sollte hergezeigt werden.
Corona war die beste Zeit dafür. „Das einzige Museum, das da offen hatte, war das Mosaik-Museum“, sagt Hiller.
Also haben sie fotografiert. Und recherchiert. Und die Fotos auf Instagram hochgeladen. Dort haben sie einen Account für das „Raufschaumuseum“ – Das „Museum des Hinaufschauens“ erstellt und teilen die Fotos mit allen, die sie sehen wollen.
Zuletzt ist das Wien Museum auf das Projekt aufmerksam geworden, der Wien Tourismus hat dem Raufschaumuseum gar einen Blogeintrag auf seiner Website gewidmet.
Kuratoren
Das Kuratieren nehmen die beiden halbwegs ernst. Es reicht ihnen nicht, einfach Fotos hochzuladen. Manche Fassaden schauen sie sich mehrmals an, fotografieren sie tatsächlich dann, wenn das Licht am besten scheint. Sie recherchieren die Künstlerinnen und Künstler und die Hintergründe der Kunstwerke.
Sie haben eine Online-Karte von all ihrer gesammelten Fassadenkunst erstellt, Bücher gewälzt und sich Wissen angeeignet. „Vor ein paar Monaten hätten wir genau nichts über Franz Molt sagen können“, sagt Hiller.
Den Namen hatten beide noch nie zuvor gehört. Dabei ist Molt kein unbekannter Mosaikleger – haben die Hiller und Gabriel in ihren Recherchen herausgefunden. „Jetzt sagen wir: Oh, das ist aber ein sehr untypischer Molt.“
Aber wie kommt man – quasi von einem Tag auf den anderen drauf – sich die Wiener Hausfassaden genauer anzuschauen? Noch dazu, wo man ja vor allem im eigenen Grätzel an vielem achtlos vorbeigeht. „Wir sind leidenschaftliche Wiener“, sagt Magdalena Hiller. Und „aktive Teilnehmer der Stadt“, wie sie das nennt.
Und sie wollten den Fassaden, denen kaum jemand je Achtung schenkt, zu etwas Aufmerksamkeit verhelfen. „Manche Leute schauen halt runter, wir schauen rauf.“
Die Street Art habe nämlich „ihre eigenen Nerds“, sagt Gabriel. Fans fotografieren Werke und die Künstler, die dahinter stecken und verbreiten die Bilder davon via Social Media.
„Wir hatten das Gefühl, dass die Sachen aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren nicht genug Aufmerksamkeit bekommen.“ Die Kunstwerke, die auf den Gemeindebauten prangen und jene, die auf den privaten Gründerzeithäusern zu sehen sind.
Die Ringstraße sei zwar natürlich höchst imposant und super, aber das Stadtbild habe sich halt danach auch stark verändert. Das Gründerzeithaus und das Nachkriegshaus sind es, die das Wiener Stadtbild seit langer Zeit sehr stark prägen.
Cibulka – Fem projekt
„Solange du Augen-Höhen-Angst hast, bin ich Feminist:in.“ Dieser Satz ziert derzeit ein Baustellennetz an der Fassade des Gemeindebaus an der Linken Wienzeile 168. Das Kunstprojekt stammt von Katharina Cibulka, die seit Jahren feministischen Botschaften im öffentlichen Raum sichtbar macht. Es ist ihr fünftes Projekt in Wien Info: www.katharina-cibulka.com
Street Art
Von 1. bis 8. August findet das „Calle Libre“-Festival statt. Street-Art-Künstler bemalen dabei live Hauswände, es gibt Führungen zu den schönsten Kunstwerken in der Stadt: Info: www.callelibre.at
Stadtschrift
Der Verein Stadtschrift in Wien sammelt historische Geschäftsbeschriftungen und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Aktuell in Form einer Mauerschau am Ludwig-Hirsch-Platz im Karmeliterviertel Info: www.stadtschrift.at
Direktoren
Hiller und Gabriel kennen die Sammlung ihres Museums nicht, sie müssen sie erst finden. Und dazu brauchen sie die Hilfe der Menschen.
Jeder, der etwas einschickt, ist ein Kurator. Hiller und Gabriel sind die – quasi – Museumsdirektoren.
Durch Instagram sind sie mit der Community in Kontakt. Die Menschen schicken Bilder ein. Hiller und Gabriel zeigen diese – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf Fotos und in kleinen Geschichten über die Bezirke. Manchmal sind es Detailaufnahmen, manchmal Totale.
Mittlerweile bekommen sie jeden Tag neue Bilder, vor allem aus Wien. Dass die Menschen so auf das Projekt anspringen, haben sie nicht erwartet. „Aber es ist gut zu wissen, dass wir nicht die einzigen Spinner in der Stadt sind.“
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