Calle Libre: Große Frauen beziehen Stellung vor der Studentenbude

Ein Wandgemälde zeigt eine stilisierte Frau mit fließendem Haar über einer bunten Ziegelwand.
Das Street-Art-Festival macht den öffentlichen Raum bunter und interessiert sich für Gegenpositionen.

Stramme Corps-Studenten auf dem Weg zu ihrer Bude, beobachtet von sehr großen, sehr starken und sehr coolen Frauen. Spätestens bis 9. August machen sich weibliche Figuren aus den Pinseln und Spraydosen des Künstlerinnen-Kollektivs Ripoff Crew auf einer Mauer in der Mauthausgasse breit.

Eine feministische Wand gegenüber einem Ort der Männerbünde im fünften Bezirk, also. Genau solche Gegenpositionen sind es, mit denen sich Calle Libre (zu Deutsch: Freie Straße) in diesem Jahr unter dem Motto „Duality“ auseinandersetzt. Zum sechsten Mal nimmt sich das Street-Art-Festival ab heute, Samstag, der urbanen Kunst im öffentlichen Raum an.

Ein Wandgemälde zeigt eine Frau, die mit Steinen zu jonglieren scheint.

Und es macht die Stadt wieder ein bisschen bunter, auch wenn Wien wegen der vielen legalen Wände ohnehin zu eine der Street-Art-Metropolen Europas zählt.

Ein Gebäude mit einer Projektion von zwei Kindern in Hängematten unter einem Baum.

Schon in dieser Woche konnte man  Seth aus Frankreich beim   Bemalen der Sargfabrik in Penzing zusehen.

Die Veranstaltung macht die Stadt auch etwas ausgeglichener, wenn es um Werke der Street-Art-Künstlerinnen geht. Denn der Bereich ist durchwegs männlich dominiert. „Burschen wollen sich beweisen, es geht um Fame (also um Ruhm, Anm.)“, versucht Veranstalter Jakob Kattner eine Erklärung. Dazu komme, dass Street Art auch schon mal im illegalen Bereich stattfinde. Beim Calle Libre ist das natürlich nicht der Fall.

Subkultur oder Mainstream

Apropos illegal (oder nicht mehr): Street Art ist in den vergangenen Jahren massentauglich geworden beziehungsweise hat einen Platz in Galerien gefunden. Subkultur und Mainstream, Street Art im Verhältnis zur konventionellen Kunst – schon wieder Gegensatzpaare, mit denen man sich beschäftigt. Kritiker bemängeln, es handle sich manchmal nur um Behübschung.

Ein Graffito von einer älteren Dame mit Hut und Schürze auf einem Verteilerkasten in Wien.

Ein farbenfrohes Wandgemälde mit zwei sich berührenden Händen vor Containern und einem Gebäude.

Eine Betonmauer ist mit Graffitis von Menschen und einem Igel mit Laptop bemalt.

Ein farbenfrohes Wandgemälde mit verschiedenen abstrakten und cartoonartigen Motiven zwischen zwei Gebäuden.

Ein Wandgemälde in einer Stadt zeigt eine Frau mit verbundenen Augen, die ein Jenga-Spiel spielt.

Drei Kinder sitzen auf einer bunten Treppe.

Ein Graffito zeigt einen Igel, der an einem Laptop vor einer Betonwand sitzt.

Ein Wandgemälde zeigt zwei Hände vor einem geometrischen Muster.

Calle Libre: Große Frauen beziehen Stellung vor der Studentenbude

„Wir wollen nicht nur provozieren“, sagt Kattner. Um kurz darauf zu sagen: „Street Art ist per se ein politischer Akt.“ Weil: Wände im öffentlichen Raum sollen nicht nur dem Verkehr oder der Werbung überlassen werden.

Ein großes Wandgemälde wird von zwei Personen in Hubarbeitsbühnen restauriert.

Im Vorjahr werkten Kobra und Kruella D' Enfer an der Wiedner Hauptstraße an Schiele und Klimt

 

Auf Instagram

Und dann widmet man sich noch den Gegensätzen analog und digital: „Wenn Street Art in einem Bild auf Instagram auftaucht. Ist das dann noch Street Art?“, fragt Kattner.

Sollten sich Zweifel einstellen, sei geraten: Augen weg vom Bildschirm und sich das Ganze in echt anschauen. An 14 Orten kann man Künstlern in der Stadt bei der Arbeit zusehen, an Podiumsdiskussionen oder Workshops teilnehmen.

Street Art oder Graffiti? Das ist hier die Frage

Für die einen sind Graffiti-Schriftzüge pure illegale Schmiererei. Stichwort Puber, jener berühmt-berüchtigte Sprayer, der  seine „Tags“ in ganz Wien hinterließ. Für die anderen ist Street Art eine herzige Leidenschaft für Bobos und Kunststudenten. Für wiederum andere sind Graffiti und Street Art ein und dasselbe.

Collage verschiedener Oberflächen mit Graffiti, oft das Wort „Puber“.

Der berühmt-berüchtigte Sprayer "Puber" sorgte in Wien für gehörigen Ärger.

Doch es gibt sie, die feinen und nicht unwichtigen Unterschiede: „Street Art will als Kunst wahrgenommen werden. Hier fließen auch politische Themen ein. Bei Graffiti geht es darum, seinen Namen zu verbreiten“, sagt Kunsthistoriker und Graffiti-Experte Stefan Wogrin.  Bei letzterem stehe die Schrift im Vordergrund, Figuren seien hier Attribute zu den Lettern.

Künstler gestalten eine große Graffiti-Wand mit einem Adlerkopf in Wien.

Bei Graffiti steht die Schrift im Vordergrund.

Graffiti war im Wien der 80er weit verbreitet – schon am Donaukanal, wo  Sprayen  zumindest geduldet war. „Ab 2005 kann man von einer Street-Art-Szene sprechen“, sagt Wogrin.   Wobei die Werke noch nicht so groß und knallig waren.  Da ging es darum, „neue Formen zu entdecken“. Das waren Sticker oder Schablonenwerke, wie sie   Banksy bekannt gemacht hat.

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