Grindig und geil: Tschumsn sind wieder Kult
Wer ein echtes, altes Espresso betritt, den beschleicht das Gefühl, in der US-Serie „Sliders“ aus den 90er-Jahren gelandet zu sein. Da springen Menschen durch ein Dimensionstor in parallele Welten.
Eines dieser Dimensionstore muss auf der Linken Wienzeile sein. Dort befindet sich das „Schmauswaberl“, von Fans liebevoll Schmausi genannt. Ein ranziges Espresso, das sich derzeit größter Beliebtheit erfreut, vor allem bei Jungen. Von Außen sieht man staubige Kakteen.
Drinnen eröffnet sich eine schummrige Dschungel-Welt: Tische im Safari-Muster, helle Fliesen, dunkles Holz. Alte Poster auf einer Spiegelwand, Barhocker mit Leder-Falten, beschmierte Wände. Auf der roten Schank steht mit Kreide geschrieben: Rüscherl oder Baucherl um 4,40 Euro. Nur Kenner wissen, dass es sich dabei um alkoholische Mischgetränke handelt.
Schweden Espresso
1., Laurenzerberg 5
Täglich von 7 bis 2 Uhr
Café U1
4., Taubstummengasse 17
Mi–Fr von 16.30 bis 24 Uhr
Schmauswaberl
6., Linke Wienzeile 64
Täglich von 19 bis 2 Uhr
Café Einhorn
6., Joanelligasse 7
16 bis 4 Uhr (außer Sonntag)
Tanzcafé Jenseits
6., Nelkengasse 3
Mi–Sa von 20 bis 4 Uhr
„Das Schmausi ist halt kultig“, sind sich drei Soziologie-Studentinnen einig. Schuld daran seien Besuche von Autorin Stefanie Sargnagel oder Musiker Voodoo Jürgens. Dass Tschumsn wie das Schmauswaberl nun das große Lokalsterben wegen des Auslaufens der Coronahilfen als erste erreichen könnte, will man sich hier nicht vorstellen.
Im Schmausi findet man Urgesteine. Zum Beispiel Peter, 59-jähriger Musiker aus Favoriten, mit Kreolen und Jeans-Kappe: „Ich lass mich nicht in eine Schublade stecken“, sagt er, wenn man ihn fragt, welche Musik er gemacht hat. Das seit 1962 existierende Schmauswaberl repräsentiert für ihn die Stadt. „Wien war immer abgefuckt. Hier ist man tolerant, liberal, multikulti, frei“, sagt er.
An der Bar sitzt ein Mann, der von Athen träumt. Dahinter trinken zwei Autoren ihr Feierabend-Bier. Vielleicht kann man an diesem Ort noch Geschichten finden. „Hier ist es einfach cool“, sagt eine deutsche Studentengruppe.
„Schmauswaberl“ war früher das Wort für die Frau, die Essensreste vom Kaiserhof verkaufte. „Essen gibt’s im Schmauswaberl nimmer, nur Mannerschnitten“, sagt Peter Balon. Der Ex-Disco-Betreiber hatte das Lokal vor fünf Jahren auf Willhaben entdeckt und glatt übernommen. „Ich habe nichts geändert, wir brauchen solche Orte“, sagt er. Das Schmausi sei ein Magnet für Junge und Künstler. „Weil es billig ist, weil die Stammgäste die Seele des Ortes sind.“
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