Personalmangel und Preissteigerungen: Immer mehr Wirte geben auf
Ein Ende mit Schrecken. Mit diesen Worten gab Christian Becker, Chef des „Locals“ in der Heiligenstädter Straße 31, das Ende seines Live-Clubs auf Facebook bekannt. 15 Jahre lang gab es hier Tausende Konzerte von kleineren Bands. Und Becker ist nicht der Einzige, der sein Lokal für immer schließt. Das Traditionscafé Westend am oberen Ende der Inneren Mariahilfer Straße hat bereits Ende Juni geschlossen, der KURIER berichtete.
Die Gründe sind vielschichtig. Die Nachwirkungen der herausfordernden Pandemiezeit und die Einstellung der Coronahilfszahlungen werden von den Betreibern ebenso genannt, wie die steigenden Energiepreise und Personalnot. Stirbt jetzt nach und nach die heimische Gastroszene? „Heuer ist das Jahr, wo es am Markt richtig krachen wird“, befürchtet jedenfalls Mario Pulker, Österreichs oberster Wirtesprecher der Wirtschaftskammer.
Die massiven Preissteigerungen würden nicht nur die Betriebe, sondern auch die Konsumenten spüren. Viele Gäste könnten Preissteigerungen beim Essen nicht bezahlen. Laut Pulker gehe es aber nicht ohne – das würden auch viele Gäste nicht ändern. „Wenn du bei jedem Schnitzel 30 Cent minus machst, aber viel verkaufst … dann machst du eben bei vielen Schnitzeln 30 Cent minus.“
Betriebe mit hoher Qualität in guter Lage geht es laut Pulker allerdings noch gut: „Dort, wo der Gast nicht preissensibel ist, funktioniert es noch.“ Take-away-Lokale und kleinstrukturierte Restaurants würden es derzeit auch noch schaffen. „Alles dazwischen leidet am meisten.“
Das bestätigt auch Wiens Gastrosprecher Peter Dobcak. Schließlich gebe es in der Stadt Angebote für alle Gesellschaftsschichten. „Die Beisln, die weniger kaufkräftige Gäste anziehen, sind hauptbetroffen“, so Dobcak. Sie würden als Erstes zusperren müssen. Der Fachkräftemangel würde die Finanzprobleme noch zusätzlich verschärfen. Viele Lokale würden das Mittagsgeschäft ausfallen lassen oder an weniger Tagen öffnen, weil das Personal fehle. „Das führt unweigerlich zu Umsatzverlusten“, sagt Dobcak.
Ein bisschen Hoffnung
In Wien gibt man sich trotz der großen Herausforderungen optimistisch. Zwar sperren viele Lokale zu, aber oftmals würden diese neue Inhaber finden, so Gastrosprecher Dobcak. Darum würden es in Summe nicht weniger Lokale werden. Derzeit gebe es noch ungefähr gleich viele Lokale wie vor der Pandemie.
„Die neuen Unternehmer starten mit ganz anderen Voraussetzungen“, erklärt Dobcak. „Sie wissen von Anfang an, dass sie eine Registrierkasse brauchen und dass Rauchverbot gilt“. Außerdem würden sie dank neuer Konzepte auch an Orten bestehen können, an denen ihre Vorgänger gescheitert sind. In Wien werde man also auch in Zukunft in Lokale gehen können, sagt Dobcak: „Unterm Strich kann man sagen: Der Gast verliert vielleicht seinen Wirten, aber nicht sein Wirtshaus."
„No Fachkräfte – No Burger – So sorry!“ steht auf der Homepage von Daghofer’s in der Stadt Salzburg. Das Lokal ist zu. Ein Schritt, der auch den Chefs Andreas Felleis und Patrick Knittelfelder nicht leicht fällt. Aber es ging nicht mehr anders. Dabei sind die beiden Unternehmer, die vier Hotels und fünf Lokale betreiben, sonst sehr kreativ bei der Problemlösung. Sie rekrutierten in Spanien Kellner.
Insgesamt 80 junge Spanier hatten sich auf eine Jobannonce gemeldet, acht sind gekommen. Felleis: „Das federt die größten Lücken ab, aber bei den Fachkräften hilft es uns leider nicht.“ Die Stadt ist derzeit voll, in der Festspielsaison wurden die Mitarbeiter in ihren Lokalen mitten im Zentrum noch dringender gebraucht. Alle Felleis&Knittelfelder-Betriebe zu erhalten, war nicht mehr möglich. Auch Salzburgs Wirte-Sprecher Ernst Pühringer stöhnt unter der Personalnot: „Ich suche seit vier Monaten einen Chef de Rang. Kein einziger hat sich beworben.“
Personalmangel als Knackpunkt
Im Tourismusland Tirol sind die Grundvoraussetzungen hingegen andere als in der Millionenstadt Wien. Hier ist eine Vielzahl von Betrieben vor allem von den Urlaubern abhängig. Und die seien diesen Sommer in annähernd großer Zahl zurückgekehrt wie in den Vor-Corona-Jahren. „Auch viele Einheimische gehen nach wie vor gerne essen“, sagt Tirols Gastro-Sprecher Alois Rainer, der den Traditionsgasthof Hotel Post in Strass im Zillertal mit seiner Familie betreibt.
Wie seinen Salzburger Kollegen bereitet auch ihm vor allem der Personalmangel Sorgen. „Auf lange Sicht wird der Arbeitskräftemangel die größte Herausforderung. Die jungen Leute werden weniger und haben so viele Ausbildungsmöglichkeiten wie noch nie.“
Ebenfalls aufgrund des Personalmangels hat man beim Alpenhotel Gösing in der niederösterreichischen Gemeinde Puchenstuben den Betrieb geschlossen. „Wir möchten Ihnen mitteilen, dass das Alpenhotel Gösing aufgrund des vorherrschenden Personalmangels in unserer Branche bis auf Weiteres geschlossen wird“, schreiben die Betreiber auf ihrer Facebookseite.
Damit ist man nicht allein: Auch Hannahs Speisesaal, die Kantine im Bundesamtsgebäude in Wien, ist seit Montag Geschichte. Die Gastronomin dahinter, Hannah Neunteufel, leitet auch das Lokal „Der gute Fang“ in Ybbs an der Donau. Für sie wäre jedoch ein Comeback in Wien denkbar. So schreibt Neunteufel auf Facebook: „Wenn sich die Zeiten bessern, kommen wir gerne wieder.“
Mit Kreativität gegen die Krise
„Einfach waren die Zeiten für unsere Branche noch nie“, zuckt Andreas Ruckendorfer mit den Schultern. Aber sich unterkriegen zu lassen, stand für die Familie Ruckendorfer, die seit 1985 in der Eisenstädter Joseph-Haydn-Gasse ein Restaurant betreibt, nie zur Debatte. Nach der Sommerpause hat gestern „eine neue Zeitrechnung“ für das Restaurant begonnen.
Um die „ausgezeichneten Mitarbeiter zu halten“ und den Bedürfnissen der Gäste noch besser zu entsprechen, wurde auf Vier-Tage-Woche umgestellt. Die sechs Mitarbeiter – drei kommen aus Ungarn – hätten nun drei zusammenhängende Tage frei. Mit diesem Zuckerl konnte Ruckendorfer auch einen Kapazunder für die Küche gewinnen: Den Koch eines Wiener Zwei-Hauben-Restaurants, der in den Bezirk Eisenstadt übersiedelt ist und nun lieber in der Landes- als der Bundeshauptstadt arbeitet. Das Pre-Opening nach der Umstellung am Mittwochabend war schon vielversprechend, so Ruckendorfer, das Lokal war voll, das Publikum angetan.
Apropos Gäste: Dass das Restaurant bisher relativ gut durch die beiden letzten Krisenjahre – von Corona bis zur Teuerung – gekommen ist, liegt auch an der wohlbestallten Kundschaft. Eisenstadt gehört bundesweit zu den Bezirken mit der kaufkräftigsten Bevölkerung, hier leben viele Top-Beamte, Ärzte und Juristen. Außerdem ist Eisenstadt eine Touristenattraktion.
Auch der gestern im südburgenländischen Deutsch Schützen eröffnete Zubau zur „Ratschen“ der Familie Wiesler hat Touristen im Blick. Neben dem Ausbau von 20 auf 56 Betten wurde ein Frühstücksrestaurant errichtet, das am Nachmittag als Café und Bistro geführt wird und sieben Tage in der Woche auch Wanderern und Radfahrern offen steht.
Keine Entwarnung
Trotzt die pannonische Gastronomie also der Krise mit Kreativität. Bisher wisse er tatsächlich von keinen Schließungen als Folge der Verwerfungen, sagt Franz Perner, Geschäftsführer der Sparte Freizeit- und Tourismus in der Wirtschaftskammer Burgenland, zu der knapp 600 klassische Gasthäuser und Restaurants gehören.
Aber, so Perner, für Entwarnung sei es noch viel zu früh. Denn jetzt gehe in der Branche die Angst vor weiter steigenden Energiepreisen im Herbst um – dann könnte es auch burgenländische Wirtshäuser treffen.
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