Graue Wölfe wollen keine Rechtsextremisten sein
Die Grauen Wölfe sind nach den Krawallen in Favoriten in aller Munde. Doch wer ist damit konkret gemeint? In Österreich gilt die „Türkische Föderation“ als Ableger der ultranationalistischen MHP (die mit Erdoğans AKP in der türkischen Regierung sitzt – und deren Anhänger als Graue Wölfe bezeichnet werden). Der KURIER sprach mit Ali Can, dem Vorsitzenden des umstrittenen Moscheeverbands, und mit Vereinsmitglied Baki Uslu.
„Was da auf den Straßen von Wien passiert ist, verurteilen wir zutiefst“, distanziert sich Can von den Randalierern. Und er meint: „Offenbar gibt es gewaltbereite Gruppierungen. Es ist wichtig, deren Hintermänner dingfest zu machen.“
Als Moscheeverband könne man aber bloß im eigenen Wirkungsbereich deeskalieren. Was man versucht habe.
Hier gehe es jedoch um das „gesamtgesellschaftliche Problem, dass wir jungen Menschen keine Perspektiven bieten können“, sagt Can. Konflikte wie die in Favoriten würden oftmals instrumentalisiert, um dem Frust freien Lauf zu lassen. "Das Ganze ist meines Erachtens weit weniger ideologisch geprägt als es in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Es braucht hier Präventionsarbeit auf allen Ebenen - aber wir als Verein können nur eine gewissen Beitrag dazu leisten."
„Machen keine Politik“
Was die ultranationalistische MHP betrifft, sind Can und Uslu ebenfalls um eine Imagekorrektur bemüht. Zwar betonen sie, dass es sich um eine „demokratisch gewählte“ Partei handle. Auf die Türkische Föderation habe diese aber keinen Einfluss. "Wir haben keinerlei Vereinbarungen mit der genannten Partei." Den Vereinsmitgliedern stünde es frei, wen sie wählen. „Ich habe zum Beispiel noch nie MHP gewählt“, behauptet Can.
Finanziell und administrativ mag sich die Türkische Föderation von der MHP abgekoppelt haben. Ein ideologisches Nahverhältnis könne sie aber nicht abstreiten, erklärt Autor Thomas Rammerstorfer, der ein Buch über die Grauen Wölfe geschrieben hat. Er verweist auf einen Besuch des MHP-Politikers Cemal Cetin bei der Türkischen Föderation sowie auf Uslus Aktivitäten in dessen Wahlkampf.
Dazu meint Uslu: Cetin wäre „wie andere Politiker“ zu Gast gewesen. Als Verein gehe man jedoch keinen politischen Tätigkeiten nach.
Das wird innerhalb der IGGÖ zu Teil aber anders wahrgenommen. „Die MHP ist nicht religiös, sondern nationalistisch. Um die Menschen in der türkischen Diaspora zu erreichen, brauchte man Moscheen“, sagt ein Insider. Die Türkische Föderation sei daher „eine politische Organisation, die nebenbei Moscheen betreibt“.
Deren Mitglieder seien jedoch „nicht automatisch Faschisten“. Can und Uslu werden intern als "sehr höflich" beschrieben. Antisemitisches oder Antikurdisches höre man von ihnen nie.
"Keine gemeinsame Krisensitzung möglich"
Jedenfalls war die Türkische Föderation als Teilnehmerin am von Innen- und Integrationsministerium geplanten Gipfeltreffen mit türkischen Vereinen im Gespräch. Dieses findet nun aber doch nicht statt. Weil die Fronten zwischen türkischen und kurdischen Vereinen verhärtet seien, sei keine gemeinsame Krisensitzung möglich, sagt Innenminister Karl Nehammer. Es werde nun Einzeltreffen von Verfassungsschutz und Integrationsministerium mit Vereinen geben. Am Mittwoch ist zudem ein Runder Tisch mit Nehammer, Integrationsministerin Susanne Raab sowie nicht näher genannten Islamexperten geplant.
Als rechtsradikal werden die Grauen Wölfe jedenfalls vom „Bündnis Antifaschistische Solidarität“ eingestuft. Dem linken Netzwerk zufolge ging die Gewalt bei den Kundgebungen in Favoriten vor allem von den Grauen Wölfen und Erdoğan-Anhängern aus, die demonstrierenden Frauen mit dem Umbringen gedroht hätten.
Zur Erinnerung: An aufeinanderfolgenden Demo-Tagen wurden Linke und Kurden von türkischstämmigen Jugendlichen angegriffen, die zum Teil den verbotenen Wolfsgruß (das Symbol der rechtsextremen Grauen Wölfe) zeigten. Von beiden Seiten wurden Flaschen, Böller und Steine geworfen. Es gab mehrere Verletzte.
Bei der Türkischem Föderation meint man auf den Wolfsgruß angesprochen: "Wir haben das Symbol weder erfunden noch patentiert." Für Randalierer, die den Gruß verwendet hätten, könne man nicht sprechen, betont Ali Can.
Am Freitag wird wieder demonstriert
Selma Schacht, eine der Organisatorinnen der linken Kundgebungen, kritisiert die Darstellung des Konflikts durch Politik und Medien. Demnach gehe es nicht primär um die Auseinandersetzung Türken und Kurden, sondern um die Frage „Demokratie, Freiheit und Frauenrechte oder faschistische und reaktionäre Ideologie“.
Man wolle sich jedenfalls nicht einschüchtern lassen, weshalb für kommenden Freitag ab 18 Uhr erneut eine Demonstration gegen Faschismus, Rassismus und Frauengewalt angekündigt wird, die vom Columbusplatz in Favoriten stadteinwärts zum Karlsplatz ziehen soll
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