Gratis-Ganztagsschule in Wien: Neos lehnen eigenen Antrag ab

Gratis-Ganztagsschule in Wien: Neos lehnen eigenen Antrag ab
Als Teil der rot-pinken "Fortschrittskoalition" haben sich bei den Wiener Neos offenbar gewisse Standpunkte geändert.

Die Neos werden am Donnerstag im Wiener Gemeinderat de facto gegen sich selbst stimmen. Die ÖVP wird einen Beschlussantrag einbringen, den die Pinken im Juni 2020 selbst gestellt hatten – und zwar wortident. Darin geht es um die Gleichstellung verschränkter und offener Ganztagsschulen.

Die verschränkte Form,  das Wunschmodell der Wiener SPÖ, ist in Wien seit Herbst gratis. Dabei wechseln sich Unterricht und Freizeit ab, Kinder müssen dafür bis zum Schulende in der Schule bleiben. Bei der offenen Form können Eltern tageweise entscheiden, ob sie ihre Kinder nach dem Unterricht in die Nachmittagsbetreuung geben. Diese Variante kostet aber weiterhin bis zu 2.500 Euro pro Jahr und Kind. 

Und das wollten die Neos ändern: "Die Bevorzugung der verschränkten Ganztagsschulen widerspricht jedem Anspruch auf Gleichbehandlung", urteilten sie noch im Juni. Dieser Umstand setze 18.000 Kinder und Eltern "einer massiven Benachteiligung" aus. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2019/20 besuchten rund 17.000 Kinder eine verschränkte Ganztagsschule.

"Polemik auf Landesebene"

Der abgelehnte Antrag wird nun zum Bumerang für Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr. Harald Zierfuß, Bildungssprecher der ÖVP, sagt gegenüber dem KURIER: "Die Neos hätten jetzt die Chance diese Ungerechtigkeit wirklich abzustellen. Jetzt, nach der Wahl, vergessen sie aber leider häufig ihre Position."

Gratis-Ganztagsschule in Wien: Neos lehnen eigenen Antrag ab

Bildungssprecher Harald Zierfuß, Elternvertreterin Isabella Strnad, Wiener Landesschulsprecherin Sevgi Dogan

Die Pinken werden dem neu eingebrachten Antrag nicht zustimmen, bestätigt das Büro von Wiederkehr dem KURIER: "Es steht der Opposition frei, Polemik auf Landesebene zu betreiben, während die eigene Bundesregierung bei Bildungsausgaben ständig auf der Bremse steht." Grundsätzlich sei das Modell der "Gratis-Ganztagsschule" von der Vorgänger-Regierung beschlossen worden und "ein erster wichtiger Schritt hin zu Chancengerechtigkeit". Zudem werde "intensiv geprüft, inwieweit die kostenlose Betreuung auch auf andere Schulformen erweitert werden kann".

Zierfuß, der im Gemeinderat zumindest auf die Stimmen der FPÖ zählen kann, möchte das so nicht stehen lassen: "Es ist komplett ungerecht, Eltern de facto tausende Euro Strafe zahlen zu lassen, nur weil sie sich gegen das SPÖ-Wunschmodell der verschränkten Ganztagsschule entscheiden." Die türkise Stadträtin Bernadette Arnoldner fügt hinzu: "Die Stadtregierung fährt einfach über die Eltern drüber."

Und die Eltern? Elternvertreter haben eine Petition mit bisher rund 4.100 Unterschriften für die „finanzielle Gleichstellung aller ganztagsgeführten Schulen in Wien“ gestartet, unterstützt von Volksanwalt Walter Rosenkranz.

Ist Ganztagsschule sozial treffsicher?

Im rot-pinken Koalitionsprogramm steht, dass das Wiener Schulsystem pro Jahr um zehn weitere verschränkte Ganztagsschulen erweitert werden soll. Das entspreche jährlich "6.000 neuen Gratis-Betreuungsplätzen", so die Wiener Neos.

Offen ist, ob Ganztagsschulen sozial Benachteiligten überhaupt helfen – wie oft behauptet. Der Rechnungshof stellte in einem Bericht 2018 fest, dass Schüler aus benachteiligten Gruppen "seltener die Angebote der  schulischen Tagesbetreuung" wahrnehmen. Künftig sollen jedenfalls soziökonomische Kriterien für die Aufnahme in Ganztagsschulen berücksichtigt werden, das sei im Regierungsprogramm vereinbart, stellen die Neos auf KURIER-Anfrage fest.

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