Facebook für die Alten
Die Schüler haben Besuch bekommen. Ein Mann in Anzug und Krawatte hält heute den Unterricht. „Wie viele von euch nützen Facebook?“, fragt Georg Kudrna die Schüler. „Das benutzen nur alte Leute“, bekommt er zur Antwort. Die Jugendlichen zwischen 13 und 17 verwenden lieber Instagram, Whatsapp, Tiktok oder Snapchat.
Kudrna ist einer von 136 Rechtsanwälten, die aktuell für ein Projekt der Wiener Rechtsanwaltskammer in Schulen unterwegs sind und Jugendlichen nahe bringen, wo die rechtlichen Grenzen sind – nicht nur, aber auch online.
„Was ist der Unterschied?“, fragt Kudrna. „Man hat die Person nicht vor sich und sieht keine Emotionen. Das ist einfacher“, wissen die Schüler. Und was wäre eine gefährliche Drohung? „Wenn ich sage: Ich fetz dich, wenn du das nicht machst.“ „Ja“, bestätigt der Anwalt. „Und nein“, erklärt er im nächsten Atemzug. „Es kommt immer drauf an, wie ernst es gemeint ist, und ob das Gegenüber dann auch Angst hat.“
Drohungen, Mobbing, Beleidigungen, Verhetzung, unerlaubte Bildaufnahmen – die Möglichkeiten an strafbaren Handlungen in der digitalen Welt sind groß. Und sie sind Alltag im Leben der Jugendlichen. „Gerade das Thema Beleidigungen in diversen Chats haben wir immer wieder“, bestätigen die Klassenvorständinnen Stefanie Weber und Andrea Lady. „Die Netiquette, also der Umgang miteinander, ist mühsam zu erlernen. Das Gespür fehlt. Es schreibt sich einfacher, als etwas zu sagen. Es eskaliert auf diese Weise auch viel schneller.“
Vielen ist gar nicht klar, wo die Strafbarkeit anfangen kann. „Nicht nur wer ein Posting schreibt, macht sich strafbar“, warnt Anwalt Kudrna. „Auch der, der dazu anstachelt oder unterstützt, weil er etwa sein Handy dafür hergibt.“ Aber wie beweist man das? „Computer und Handys vergessen nicht.“
Ein Thema, das durchaus heiß diskutiert wird, ist die Watsche. „Ist eine Watsche eine Körperverletzung?“ Und auch da kann Kudrna nicht mit einer eindeutigen Antwort aufwarten. „Eine leichte Watsche kann eine Beleidigung sein.“ Führt die Watsche zum Nasenbruch, ist es eine schwere Körperverletzung – mit entsprechender Strafdrohung.
Kudrna überzieht die Schulstunde – Glocke gibt es keine. Sie wurde abgeschaltet, weil sich Anrainer dadurch belästigt gefühlt hatten. Doch das ist nicht der Grund. Das Thema beschäftigt die Jugendlichen. Es könnte nicht der letzte Termin mit dem Anwalt gewesen sein. „Kann ich Ihre Visitenkarte haben?“, fragt ein Schüler.
Schlechter Scherz
Kudrna bringt ein Beispiel aus seiner Praxis als Strafverteidiger: „Ich hatte einen Mandanten, der in einer Whatsapp-Gruppe grenzwertige rechtsradikale Postings verschickt hat. Alle haben es lustig gemeint. Aber plötzlich waren sie wegen Wiederbetätigung angeklagt.“ Aus einem Scherz wurde bitterer Ernst samt einem drohenden Geschworenen-Verfahren im Landesgericht und Haftstrafen. „Er hat sich danach gefragt, warum er so wenig sensibilisiert war und das gar nicht gemerkt hat, er ist dann sogar nach Israel gegangen. Ich will euch nur mitgeben, dass ihr überlegt, wenn ihr das nächste Mal postet – was kann das anrichten?“
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