Geheimagenten: Wenn die Wände Ohren haben
Mit James Bond, schönen Frauen und schnellen Autos hat das alles herzlich wenig zu tun. Die Tätigkeit der Agenten ist ein schmutziges Geschäft, dessen Protagonisten zuweilen im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen gehen.
Und wieder steht Wien im Mittelpunkt eines gigantischen Spionagekrimis und wieder gilt Russland als Auftraggeber.
Als Folge seiner Homosexualität zur Spionage erpresst
Wie schon damals, als mit Alfred Redl der bislang folgenschwerste Fall von Landesverrat mit österreichischem Hintergrund aufflog. Die Affäre reicht zurück bis ins Jahr 1901, als die Russen einen Gewährsmann nach Wien schickten, um hier Spione für die „Ochrana“ – den Geheimdienst des Zaren – anzuwerben.
Lange herrschte der Irrglaube, Oberst Redl sei als Folge seiner Homosexualität zur Spionage erpresst worden, doch die Historiker Verena Moritz und Hannes Leidinger wiesen nach, dass die Auftraggeber von dieser Neigung gar nichts wussten. Redl handelte vielmehr aus reiner Geldgier.
Redl war sein Geld wert
Und doch spielte seine Homosexualität eine Rolle: Alfred Redl hatte sich in den um 20 Jahre jüngeren Leutnant Stephan Horinka verliebt und benötigte für dessen „Dienste“ hohe Summen, die ihm seine Spionagetätigkeit einbrachte.
Insgesamt soll Redl vom russischen Geheimdienst innerhalb von zwölf Jahren 500.000 Kronen (heute rund 1,3 Millionen Euro) kassiert haben.
Und er war sein Geld wert. Redl zählte als Chef der k. u. k. Spionageabwehr zu den wenigen Offizieren, die Einblick in die Aufmarschpläne der österreichisch-ungarischen Armee hatten.
Diese waren für Russland, den Feind von morgen, von unschätzbarem Wert, da sie die wichtigsten militärischen Geheimnisse eines Staates miteinbeziehen. Historiker halten es für möglich, dass der Erste Weltkrieg ohne Redls Verrat einen ganz anderen Verlauf genommen hätte.
Als Oberst Redl 1913 als Spion überführt wurde, erhielt er vom österreichischen Generalstabschef den Befehl, sich in einem Zimmer des Hotels Klomser in der Wiener Herrengasse zu erschießen.
Illegales Öffnen von Briefen
Die Geschichte des Spitzelwesens ist so alt wie die menschliche Zivilisation. Die Spionagemethoden im Römischen Reich waren dermaßen ausgereift, dass sie für Gestapo, KGB und CIA als Vorbild dienten.
In Österreich begann der professionelle Geheimdienst im Jahr 1490, als Kaiser Maximilian I. die Post gründete, um die Bürger durch illegales Öffnen der Briefe überwachen zu lassen. Über das beste Spitzelwesen verfügte Staatskanzler Metternich, der die Spionage perfektionierte.
„Die Wände haben Ohren“, sagte man, und: „Das Auge des Gesetzes ist überall.“ Metternichs Schnüffler saßen in Staatskanzleien und Kaffeehäusern, an Universitäten und in Redaktionen. Er scheute selbst davor nicht zurück, die privaten Vorlieben des Kaisers Franz I. und seiner Frau ausspähen zu lassen.
„Ein Spion am rechten Ort“, wusste Napoleon, „erspart 20.000 Mann an der Front.“ Tatsächlich wäre der Korse mit seinen Truppen ohne seinen besten Agenten Karl Schulmeister nie bis nach Wien gekommen.
Schulmeister hatte sich in das Lager des österreichischen Generals von Mack geschlichen und diesem seine Dienste angeboten.
Als Schulmeister sagte, „dass Napoleon an keine Offensive denke“, vertraute ihm der General – und wurde Tage später mit seiner 23.000 Mann starken Armee von den Franzosen überrascht und gefangen genommen.
Geheimdienst auf Sparflamme
Die französischen, britischen und russischen Agentennetze waren denen der Donaumonarchie haushoch überlegen, besonders in der Zeit Kaiser Franz Josephs, in der der Geheimdienst auf Sparflamme gehalten wurde.
Dabei war das Büro von Oberst Redl, als er noch der hoch angesehene Chef der Spionageabwehr im Wiener Kriegsministerium Am Hof war, mit den modernsten Hilfsmitteln seiner Zeit ausgestattet: In zwei Gemälden, die an den Wänden hingen, waren unsichtbare Öffnungen angebracht, durch die jeder Besucher fotografiert werden konnte.
In einem als Hausapotheke getarnten Kästchen lag ein Schallrohr, das Tonaufnahmen aller Gespräche ermöglichte. Ebenso wurde jedem Gast, ohne dass er es merkte, der Fingerabdruck abgenommen: Redl reichte seinem Gegenüber eine Bonbonniere und eine Zigarrenschachtel, die mit Seidenpulver bestreut waren und so den Fingerabdruck festhielten.
Nackttänzerin und Doppelagentin
Während des Ersten Weltkriegs arbeiteten für die beteiligten Nationen 150.000 Agenten und Agentinnen, die berühmteste war die holländische Nackttänzerin Mata Hari, die eigentlich Margaretha Zelle hieß und in Diensten des französischen Geheimdienstes stand.
Als man sie verdächtigte, auch für das feindliche Deutschland spioniert zu haben, wurde sie zum Tod verurteilt und am 15. Oktober 1917 hingerichtet.
Der Brite, der jahrzehntelang westliche Geheimdienste aushorchte
In der Ersten Republik ließ sich ein Spion in Wien nieder, der es später noch zu Weltruhm bringen sollte: Der Brite Kim Philby war Agent des sowjetischen KGB, als der er jahrzehntelang westliche Geheimdienste aushorchte.
Als er 1935 erkannte, dass er von Wiener Polizeidetektiven verfolgt wird, verließ er Österreich mit seiner Geliebten, die ebenfalls Agentin war.
Um dann in London den Coup seines Lebens zu landen: Kim Philby heuerte beim britischen Geheimdienst MI6 an, dem er seine kommunistische Herkunft so perfekt verschleierte, dass er es zum Chef der Spionageabwehr gegen die Sowjetunion brachte.
Schaltstelle der Spionage
Als Philby 1962 enttarnt wurde, gelang ihm die Flucht nach Moskau, wo er den Rest seines Lebens als freier Mann im Range eines KGB-Generals zubrachte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wien zu einer Schaltstelle der internationalen Spionage, da im Zuge der vierfachen Besetzung in der Stadt zahllose Agenten aufeinandertrafen.
Heute noch sollen hier, am Schnittpunkt zwischen Ost und West, 7.000 mutmaßliche Spione stationiert sein. Und somit mehr als in jeder anderen Stadt der Welt. Immerhin drei von ihnen sind jetzt aufgeflogen.
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