Seither hat sich auf der Sophienalpe nichts mehr getan – außer, dass der Zahn der Zeit unerbittlich am Gebäude nagt. Ob hier jemals wieder Leben zurückkehrt? Für den Besitzer haben Pächtersuche oder andere Konzepte derzeit jedenfalls „keine Priorität“.
Kultlokal sucht Konzept
Ein paar Kilometer weiter auf der Straße nach Tulln in Königstetten in Niederösterreich ein ähnliches Bild: „Schönster Punkt im Wienerwald“, prangt in verblichenen Farben auf einer Blechtafel. Daneben ein überquellender Briefkasten und die Ankündigung einer Veranstaltung – im Juli 2023. Willkommen auf der Dopplerhütte, Kultlokal für Motorradfreaks und Oldtimerfahrer. Übrigens nicht benannt nach der Maßeinheit für Wein, sondern nach den langjährigen Eigentümern.
Apropos Doppler: Die wanderten 1993 in den Kofferraum von Josef Hader und Alfred Dorfer, die ihren Kultfilm „Indien“ hier drehten. Vor gut 20 Jahren riefen die Dopplers dann aber die allerletzte Sperrstunde aus.
Vor drei Jahren wurde das Areal schließlich für 1,6 Millionen Euro angeboten – und Immobilieninvestor Alexander Varendorff hat „für etwas weniger“ zugeschlagen: „Wir haben es auch aus Nostalgiegründen gekauft“, erzählt er. Sein Junior durfte sich dann an neuen Gastro-Formen versuchen: Im ersten Jahr mit Imbissanhänger, im Vorjahr dann auch mit Veranstaltungen wie dem Oldtimer-Bergpreis, Biker-Events und einer Sundowner Lounge.
„Wir waren leider zu gut besucht“, berichtet Varendorff, denn nach Lärmbeschwerden seien vom Bezirkshauptmann Strafandrohungen gekommen. Daraufhin wurde Ende August die Saison abgebrochen und heuer gleich gar nicht mehr aufgesperrt: Wegen der „prekären wirtschaftlichen Situation in der Gastronomie und den bisherigen Erfahrungen mit Personal und Beschwerden“.
Aber: „Vielleicht wirds ja bis zum 100. Geburtstag 2028 doch noch was mit der Wiederauferstehung.“
Einen reinen Gastro-Betrieb kann sich Varendorff wegen der „wenigen Wochenenden, wo man wirklich voll ist“ nicht vorstellen. Ein Mix mit Wohnen, Büro und touristischer Vermietung wäre denkbar – wobei man um eine Investition im Bereich von rund einer Million Euro nicht herumkomme.
Millionenspiel
Zumindest die millionenschwere Modernisierung eines Gastro-Juwels hat man auf der anderen Seite des Wienerwalds schon hinter sich – nicht aber die Zukunftssorgen. Die jüngere Vergangenheit war am Cobenzl schon turbulent genug, da sich die Pächter die Klinke regelrecht in die Hand gaben: Seit mehr als 110 Jahren wird das Areal rund um das Schloss als Ausflugslokal genutzt, und doch wäre es heute nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien wohl vorbei mit Tafelspitz und Kalbsschnitzel.
Nach der Zwangsräumung gegen den langjährigen Pächter Olaf Auer (2017) entschloss sich die Stadt als Eigentümerin für eine üppige Modernisierung um rund 20 Millionen Euro, bei der aber prominente Partner und Investoren absprangen: Zunächst Martin Rohla, dann Szene-Wirt Bernd Schlacher, der schon im ersten Jahr nach Eröffnung der „Weitsicht“ das Weite suchte. In höchster Not sprang Ende März die DoN Group, ein großer Caterer, ein.
Wie sieht die erste Bilanz aus? Die Auslastung sei im Café Rondell „sehr gut“ gewesen. Nun gelte es, den Standort mit diversen Veranstaltungen „nahbarer zu machen“. Profitabel soll der Betrieb 2026 sein, wobei man sich an den Investitionskosten nur anteilig über den Pachtzins beteiligen muss.
Wobei Experten skeptisch sind, dass es die breite Masse, die es für so einen Betrieb mit mehr als 1.000 Plätzen braucht, hinaufzieht: „Wenn du mit Wanderschuhen und Stock kommst, dann 7,8 Euro für eine Suppe bezahlst, ist fraglich, ob das zusammenpasst“, sagt Gastronomie-Fachgruppenobmann Peter Dobcak.
Die Krise der Wiener Ausflugslokale sei vielschichtig – es beginne beim fehlenden Personal, den hohen Kosten und ende bei urbaner Konkurrenz und neuen Freizeitkonzepten. „Unten in der Stadt ist immer etwas los, der Rathausplatz fast durchgängig bespielt. Nur ein Lokal mit schöner Aussicht wird nicht mehr reichen“, so Dobcak. Und wenn dann einmal alles voll sei, könne der Skihütten-Effekt eintreten: „Dann machen es sich die Gäste gemütlich, bleiben sitzen und trinken einen Espresso pro Stunde.“
Für den Freizeitforscher Peter Zellmann gibt es aber noch weitere Konkurrenz – das Smartphone. „Die Digitalisierung prägt das soziale Verhalten in der Freizeit längst mit.“ Kinder seien daher viel schwerer für einen Familienausflug zu bewegen als früher; hinzu komme bei der anderen großen Zielgruppe, den Älteren, eine Sparnotwendigkeit beim Gasthausbesuch. „Ich sehe daher für die klassischen Ausflugslokale keine rosige Zukunft“, so Zellmann. Was natürlich schade sei, wie Dobcak ergänzt: „Denn Wien wäre ohne sie um einiges ärmer.“
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