Frauen in der Wissenschaft: "Zu gut, um ignoriert zu werden"
Die Geschichte der Wissenschaft wurde von Männern über Männer geschrieben. Im Technischen Museum arbeiten Expertinnen daran, die großen Leistungen von Frauen bekannter zu machen.
Darunter versteht man, dass der Beitrag einer Frau in der Wissenschaft ignoriert und ihre Leistung stattdessen einem Mann zugeschrieben wird (benannt nach der US-amerikanischen Frauenrechtlerin Matilda Joslyn Gage).
"Patente Frauen" heißt daher die Sonderführung am Frauentag im Technischen Museum Wien. "Der Mann galt lange als Erfindergenie, die Frau bloß als Assistentin. Wir wollen an die Leistungen kluger Frauen erinnern", sagt Kuratorin Sophie Gerber.
Etwa an die der Astronomin Caroline Herschel, geboren 1750. Wäre es nach ihrer Mutter gegangen, hätte sie Haushälterin werden sollen. Doch sie konnte für ihren Bruder Wilhelm, ebenfalls Astronom, arbeiten.
"Patente Frauen" Diese Führung informiert über Frauen, die trotz herausragender Leistungen in der Technik in der Geschichtsschreibung oft vergessen wurden.
Wann und wo? Die kostenlose Sonderführung findet anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März statt. Beginn: 16 Uhr, Dauer circa 45 Minuten. Technisches Museum Wien, Mariahilfer Straße 212, 1140 Wien.
Weitere Informationen und Anmeldung Um Anmeldung unter technischesmuseum.at wird gebeten
"Mit ihrem Bruder arbeitete sie am Bau von Spiegelteleskopen und entdeckte mehrere Kometen", erklärt Kulturvermittlerin Franziska Mühlbacher. Freilich: Die Lorbeeren erntete Wilhelm.
"Viele Leistungen von Frauen sind nicht dokumentiert"
Marie Curie wiederum ist mit ihrer Forschung zur Radioaktivität heute noch ein Begriff – dafür musste sie weit mehr leisten als Männer. "Sie durfte als Frau in Polen nicht studieren. Daher ging sie mit ihrer Schwester nach Paris. Mit harter Arbeit konnten sie ihre Ausbildungen finanzieren", erklärt Mühlbacher.
Marie Curie arbeitete zeitlebens sehr viel, schließlich wurde sie mit zwei Nobelpreisen ausgezeichnet. "Man könnte auch sagen, sie war zu gut, um ignoriert zu werden", fügt Mühlbacher hinzu.
Freilich, Wissenschaftsgeschichte wurde von Männern über Männer geschrieben. "Daher sind viele Leistungen von Frauen gar nicht dokumentiert", erklärt Gerber. Die Frau, so dachte man(n), gehöre nicht ins Labor, sondern in den Haushalt.
Wobei sich diese Rollenbilder auch erst im 18. Jahrhundert entwickelten, betont Gerber: "In der Landwirtschaft gab es zuvor Teamwork. Als sich dann eine Art Klassenbewusstsein herausbildete, wurde die Frau für den Haushalt, der Mann für die Arbeit außer Haus zuständig." Auch eine Art Standesbewusstsein: "Man wollte zeigen, dass nur der Mann arbeiten muss, um die Familie zu ernähren."
Als billige Arbeitskräfte wurden Frauen jedoch gebraucht: Ende des 19. Jahrhunderts boomte die Telegrafie, man benötigte rasch viele Arbeitskräfte.
"Man denke nur an Siri und Alexa"
Um Kosten zu sparen, wurden zunehmend Frauen angestellt, die – wie oft üblich – weniger Lohn als die Männer erhielten. "Die Logik war: Junge Frauen leben bei den Eltern, später sind sie verheiratet. In beiden Fällen brauchen sie nicht viel Geld", so Mühlbacher. Ähnlich war es bei den Telefonistinnen im 20. Jahrhundert: "Da fast nur Frauen in der Vermittlung arbeiteten, wird die weibliche Stimme bis heute als freundlich und dienstbar wahrgenommen. Man denke nur an Siri und Alexa."
Eine, die überzeugt war, mit ihrer Arbeit einen Unterschied für Frauen machen zu können, war Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Eine ihrer "Frankfurter Küchen" steht im Technischen Museum und ist Zuge der Führung zu sehen – sie ist das Vorbild aller Einbauküchen.
Schütte-Lihotzky wollte die Küche effizient gestalten, damit den Frauen mehr Zeit für Bildung bliebe. Und obwohl sie weit mehr als Küchen entwarf, wurde sie oft bloß auf diese reduziert. "Ich bin keine Küche", soll sie dazu einst lakonisch gesagt haben.
Drei Pionierinnen vor dem Theatervorhang
"Oberstes Prinzip: sich nicht unterkriegen lassen, nicht von den Menschen und nicht von den Ereignissen." - (Marie Curie)
"Herzlich liebe ich die Physik, es ist eine Art persönlicher Liebe wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt." - (Lise Meitner)
"Jede Frau kann glamourös sein, sie muss nur still da stehen und dumm aussehen." - (Hedy Lamarr)
Drei herausragenden Pionierinnen wird derzeit ein Stück gewidmet
Um mehr über berühmte Frauen zu erfahren, kann man derzeit ins Museum gehen, aber auch ins Theater. Drei herausragenden Pionierinnen wird derzeit ein Stück gewidmet: der aus Polen stammenden zweifachen Nobelpreisträgerin und Entdeckerin der Radioaktivität Marie Curie, der Wiener Atomphysikerin Lise Meitner und der aus Wien stammenden Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr.
Das "portraittheater" zeigt in „Curie_Meitner_Lamarr_ UNTEILBAR“ die Lebensgeschichten dieser drei Frauen sowie ihre Faszination für Naturwissenschaften und Technik. Und das mit vielen Informationen: Wussten Sie etwa, dass Lise Meitner 48 Mal für den Nobelpreis nominiert wurde, ihn aber nie erhielt?
"Es freut uns besonders, dass es uns gelungen ist, Leben und Werk dieser historischen Wissenschafterinnen auf die Bühne zu bringen und gleichzeitig sehr aktuelle, inspirierende Inhalte zu thematisieren", sagt Anita Zieher, die alle drei Rollen verkörpert.
Aktueller Bezug: Das Stück wird seit zehn Jahren gespielt
Auch ein Bezug zur Gegenwart und der derzeitigen Situation von Frauen in der Technik soll durch Videoeinspielungen mit drei Mädchen hergestellt werden. Das Stück selbst gibt es schon seit zehn Jahren und wurde weltweit aufgeführt – unter anderem am Österreichischen Kulturforum New York oder – thematisch passend – am CERN in Genf.
"Dass wir dieses Stück nun seit zehn Jahren spielen und das weltweit, zeigt, wie wichtig diese Erzählungen über Wissenschafterinnen und ihre Arbeit für das Publikum sind", sagt Regisseurin Sandra Schüddekopf.
Gezeigt wird das Stück am 4., 5., 9., und 11. März 2024 jeweils um 20 Uhr im Theater Drachengasse (1., Fleischmarkt 22), Karten unter tickets.drachengasse.at; Tel.: 01/513 14 44.
Am Weltfrauentag selbst, also am 8. März, gibt es eine Vorstellung um 19 Uhr im "das Hufnagl" (21., Gerasdorfer Str. 61). Alle Infos und Tickets unter das-hufnagl.at.
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