Filmstadt Wien: Hollywood im Großen und Kleinen
Eine lange Allee, gesäumt von kahlen Bäumen. Eine junge Frau, die mit starrem Blick über herabgefallene Blätter schreitet. Links und rechts von ihr reihen sich hohe, dunkle Grabsteine aneinander.
Doch es gibt jemanden, der auf sie wartet: Ein Mann, der an einem hölzernen Transportwagen lehnt.
Fast eineinhalb Minuten hält die Kamera die Szenerie fest. Um schlussendlich mitanzusehen, wie die Frau an dem Mann, der sie liebt, vorbeigeht, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.
Mehr braucht es nicht, um vor dem geistigen Auge von Filmfans den Wiener Zentralfriedhof auftauchen zu lassen, um ihnen unvermeidlich die Zitherklänge von Anton Karas ins Gedächtnis zu rufen.
„Der dritte Mann“ ist einer jener Filme, die Wien auf der ganzen Welt bekannt gemacht haben. Und die Bundeshauptstadt hat seit dem Produktionsjahr des Klassikers – 1949 – nichts an Popularität verloren.
Im Gegenteil: heute geben sich mehr denn je Hollywoodgrößen die sprichwörtliche Klinke am Drehort Wien in die Hand. Wie zuletzt Kate Winslet, Hugh Grant, Chris Hemsworth oder Natalie Portman.
Doch in Wien ist nicht nur Platz für das schillernde Hollywood, auch kleinere Produktionen werden mit geringem Budget, viel Leidenschaft und großem Nutzen umgesetzt.
So wurde das Jugendfilmprojekt „EINBLICK filterlos“ genau deshalb entwickelt, um jungen Filmemacherinnen und Filmemachern die Chance zu geben, unter professionellen Bedingungen ihre ersten Filme zu produzieren.
Das jüngste Ergebnis dieser Initiative feierte gerade Premiere. Der Kurzfilm „Boundless“ beschreibt als eine Art Roadmovie die Reise zweier ukrainischer Freundinnen. Sie haben ein Treffen mit ihrem Bruder beziehungsweise ihrem Freund vereinbart.
Unklar ist allerdings, ob er es überhaupt aus dem Kriegsgebiet der Ukraine nach Österreich geschafft hat. Die Reise der jungen Frauen birgt außerdem ungeahnte Herausforderungen.
Umgesetzt wurde der Film von sieben engagierten 16- und 20-Jährigen mit Wohnsitzen in Niederösterreich und Wien. Als Drehorte fungierten die Bundeshauptstadt, aber auch die Thermenregion und der Semmering.
Kaum jemand weiß mehr über das Projekt als Yasmin Sar-Shalom. Die mittlerweile 21-Jährige war als Jugendliche beim Filmprojekt „Common Ground“ erstmals dabei.
Damals schrieb sie beim Drehbuch mit, war in der Produktion und der Aufnahmeleitung tätig. Bei „Boundless“ war Sar-Shalom bereits in der Rolle, den Jugendlichen ihr Wissen rund um die Filmproduktion weiterzugeben.
Sie konnte mittlerweile in der Branche Fuß fassen und schwärmt von den Möglichkeiten, die sie durch das Projekt bekommen hat. „Es war ein riesiges Sprungbrett in die Filmbranche“, sagt die 21-Jährige.
Wien goes Hollywood
Sie habe in kürzester Zeit viel lernen können. In Teamarbeit „wichtige Geschichten“, wie die des Holocausts oder des Ukrainekriegs zu erzählen, liege ihr am Herzen. Alle Projekte haben zudem Coaches aus der Branche zur Seite.
In Wien will man künftig noch mehr Filmschaffende in die Stadt holen. Dafür entstehen aktuell zwei Filmstudios auf rund 3.300 Quadratmetern Fläche.
Der Hafen Wien errichtet diese modernen Studiohallen nach Plänen der Betreiberin HQ7 Studios GmbH. „Die Errichtung ist der finale Puzzlestein, um Wien als internationalen Produktionsstandort optimal zu positionieren“, sagt SPÖ-Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke.
Es entstehen Büros, Werkstätten, Lagerhallen, Garagen und Parkplätze. Vergleichbare Möglichkeiten für professionelle Filmproduktionen gibt es in Österreich bisher nicht.
Prinzipiell ist das Drehaufkommen in Wien nach den Pandemiejahren wieder im Aufschwung, bilanzierte heuer die Vienna Film Commission.
Denn neben klassischen TV-Anbietern seien auch große internationale Streaminganbieter wie Netflix, HBO/Warner Bros. Discovery und Amazon Prime mittlerweile fixer Partner der heimischen Filmwirtschaft.
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