Darum richte sich die Förderung auch (aber nicht nur) „dezidiert an Streaming-Anbieter“, so Hanke. Die wachsende Bedeutung eben dieser Anbieter lässt sich mit Zahlen belegen: War Netflix im Jahr 2015 noch in 50 Ländern vertreten, waren es im Jahr 2017 schon 170 Länder. Amazon Prime Video wuchs alleine 2019 um 100 Millionen Zuseher.
Dass man sich für die Streaming-Anbieter in Stellung bringt, liegt auch an einer EU-Richtlinie: Jede Plattform muss 30 Prozent europäischen Content anbieten. „Für so viel Content braucht es die richtige Kulisse und da ist Wien natürlich die perfekte Adresse“, sagt Hanke.
Mitgenascht
Ein kleines Stück vom Streaming-Kuchen bekam die Stadt erst kürzlich ab. Beim Netflix-Dreh zu „Tyler Rake: Extraction 2“ mit Hollywood-Star Chris Hemsworth Anfang des Jahres in der Donaustadt. Dabei gab Netflix mehr als fünf Millionen Euro in der Stadt aus.
Aber nicht nur die direkten Ausgaben sprechen dafür, internationale Produktionen nach Wien zu holen, sagt Kettner. Laut dem international tätigen Marktforschungsunternehmen TCI-Research entscheidet sich einer von zehn Touristen hauptsächlich aufgrund eines Filmes für Wien als Ziel. Die Stadt habe einen klaren Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu anderen europäischen Städten.
Beim „filminduzierten Attraktivitätsindex“, der zeigt, wie viel Zugkraft eine Destination bei Film-Fans besitzt, liegt Wien weit über dem Durchschnitt: Die europäische Norm liegt bei 100, Wien mit einem Wert von 170 signifikant darüber. Geschlagen geben muss man sich unter anderem London, das dank Produktionen wie „Harry Potter“ jenseits der 200 liegt.
Aber auch Wien hat Filme zu bieten, die Fans scharenweise anlocken, etwa „Mission Impossible – Rogue Nation“, in dem sich Tom Cruise von der Staatsoper abseilte. Solche Produktionen „setzen Cookies ins Gedächtnis von Reisenden“, sagt Kettner.
Die neue Förderung sei eine „Trumpfkarte bei der Akquise“, sagt Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Commission, die versucht, mehr Filmproduktionen nach Wien zu holen. Das Argument, dass Branchengrößen wie Netflix für 400.000 Euro (die maximale Fördersumme beim „Vienna Film Incentive“ pro Film), „nicht einmal aus dem Bett aufstehen“, lässt sie nicht gelten. „400.000 Euro sind 400.000 Euro“, sagt Stoisits. Bei Besuchen beim US-Anbieter HBO habe sie zudem gehört, dass es oftmals auch einfach um die Geste ginge.
Diese Geste habe etwa beim Netflix-Dreh zu „The Empress“ gefehlt, einem Film über Kaiserin Sisi. Dieser wurde gänzlich in Bayern gedreht, weil dort entsprechend gefördert wurde. „Und das, obwohl man pandemiebedingt sogar im Schloss Schönbrunn hätte drehen können“, sagt Stoisits.
Ohne Wien-Bezug geht nix
Beim „Vienna Film Incentive“ werden ausschließlich jene Ausgaben gefördert, die in Wien getätigt werden. Sprich: Die Stadt zahlt nicht bei den Millionengagen der Stars mit, sondern unterstützt bei Hotelnächtigungen, Catering oder bei den Löhnen von österreichischem Personal.
Außerdem müssen zumindest zwei Drehtage in Wien stattfinden, der Film muss mindestens 45 Minuten lang sein (bei Serien können einzelne Folgen zusammengezählt werden). Zugleich ist Voraussetzung, dass eine österreichische Serviceproduktionsfirma mit an Bord ist. „Die Förderung ist darum auch ein wichtiges Werkzeug für heimische Filmschaffende“, sagt Stoisits.
Dass so etwas passiert wie 1993 ist bei der neuen Förderung übrigens nicht möglich. Damals wurde der Film „Die drei Musketiere“ zwar in der Hofburg gedreht, der Schauplatz war aber eigentlich Paris. Ein geförderter Film muss auch mit Wien zu tun haben – und die heimische Kultur widerspiegeln.
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