Neue Wiener Fernkälte-Zentrale: Klimafreundlich gegen die Hitze

Neue Wiener Fernkälte-Zentrale: Klimafreundlich gegen die Hitze
Der künftige Campus der MedUni erhält eine eigene Fernkälte-Erzeugung. Generell wird das Netz deutlich ausgebaut, denn der Bedarf steigt.

Es war sozusagen der zweite Baustart, der am Montagvormittag in der Mariannengasse im Beisein von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) begangen wurde. Hier, gegenüber des Alten AKH, entsteht bis 2026 der neue Campus Mariannengasse der Medizinischen Universität Wien.

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Der offizielle Grundstein für das 400-Millionen-Euro-Projekt wurde zwar bereits im Jänner gelegt. Am Montag erfolgte nun aber der Start für das Projekt im Projekt: die achte Fernkälte-Zentrale der Wien Energie.

Wie Fernwärme, nur kalt

Das Prinzip der Fernkälte ist, wie der Name schon vermuten lässt, dem der Fernwärme relativ ähnlich: Wasser wird mittels Strom oder Abwärme auf rund sieben Grad gekühlt und dann durch Rohrleitungen an die Kundinnen und Kunden verteilt. Diese verteilen das Wasser durch ihre Gebäude, wobei die Wärme aus den Räumen entzogen wird. Diese Abwärme kann wiederum mittels Wärmepumpe weiter erwärmt und genutzt werden.

Am neuen Campus der MedUni kann durch dieses Kreislaufsystem im Sommer der gesamte und auch im Winter ein maßgeblicher Teil des Wärmebedarfs gedeckt werden – für Brunner ein „Vorzeigeprojekt“, spart Fernkälte im Vergleich zu herkömmlichen Klimaanlagen doch 70 Prozent Energie und 50 Prozent CO2-Emissionen ein.

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Die 20 Millionen Euro, die Wien Energie in das Projekt investiert, sind zweifellos eine Investition in die Zukunft, denn der Bedarf an klimafreundlicher Kühlung nimmt rapide zu. Gab es zwischen 1961 und 1990 im Schnitt zehn Hitzetage mit mehr als 30 Grad in der Stadt, hat sich diese Zahl in der Periode 1991 bis 2020 auf 21 mehr als verdoppelt.

Neue Wiener Fernkälte-Zentrale: Klimafreundlich gegen die Hitze

Die 70 Meter lange Glasfassade und damit das architektonische Aushängeschild des Campus Mariannengasse sieht man ab 2026 von der Spitalgasse aus

Der wenig erfreuliche Rekord stammt mit 42 Hitzetagen aus dem Jahr 2015 – und bis er gebrochen wird, ist angesichts der Erderhitzung wohl nur eine Frage der Zeit.

Netz wird ausgebaut

Der Bedarf steigt also. Zwar wird die MedUni der größte Abnehmer der neuen Fernkälte-Zentrale sein, ihre Kapazität liegt mit 18 Megawatt (MW) bzw. 350.000 m2 Fläche, die von hier aus gekühlt werden können, aber zehnmal höher als der des neuen Campus.

Die überschüssige Kälte wird darum in das rund 28 Kilometer lange Fernkältenetz eingespeist, das aktuell vier Millionen Quadratmeter Fläche in 190 Gebäuden versorgt – die meisten davon im 1. Bezirk.

Neue Wiener Fernkälte-Zentrale: Klimafreundlich gegen die Hitze

Im Frühling 2025 soll die Fernkälte-Zentrale in der Mariannengasse fertig sein

Dabei soll es jedoch nicht bleiben: „Wir wollen die Kapazität der Fernkälte sehr intensiv ausbauen“, sagte Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ). Die derzeitige Kapazität von 200 Megawatt soll bis 2030 auf 370 MW annähernd verdoppelt werden. „Dann werden wir uns als der Fernkälte-Hotspot in Europa bezeichnen dürfen“, so Hanke, „weil es diese Entwicklung woanders so nicht gibt“.

Kälte-Ringstraße

Im Zuge dessen werden die derzeitigen Fernkälte-Inselnetze zu einem Verbundnetz, sagte Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl. So entsteht derzeit ein „Kältering“ unter der Ringstraße, um den künftigen Bedarf zu decken. Noch heuer soll etwa die Staatsoper angeschlossen werden.

Generell verzeichne man zehn bis 15 Prozent Kundenzuwachs jährlich, so Strebl – „eine sehr erfreuliche Geschichte“. Bis 2027 investiert das Unternehmen 90 Millionen Euro in den Ausbau der Fernkälte. Die neue Zentrale in der Mariannengasse soll bereits 2025 ans Netz gehen – und damit rechtzeitig, bevor der Bau des Gesamtprojekts fertig ist.

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Ab 2026 sollen hier 2.000 Studierende und 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen und forschen. MedUni-Rektor Markus Müller freut sich durch die Zusammenfassung mehrerer dezentraler Institute in unmittelbarer Nähe des Campus AKH besonders auf schnelleren Informationsfluss zwischen Forschung und klinischer Anwendung – und das dank Fernkälte hoffentlich bei kühlen Köpfen.

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