Favoriten: Ein Bezirk zwischen Orient und Okzident

Das Leben sei kein Ringelspiel, heißt es. In Favoriten stimmt das nicht überall.
Nach den Krawallen im Juni hat Favoriten ein Imageproblem. Aber ist die Integrationspolitik hier wirklich gescheitert?

Wer an Favoriten denkt, hat die Wiener Austria vor Augen, den Böhmischen Prater oder die Therme Oberlaa. Wahrscheinlich auch den internationalen Warenmix auf dem Viktor-Adler-Markt sowie Kebabbuden und Handyshops. Viele assoziieren den vielschichtigen 10. Bezirk in letzter Zeit aber vor allem mit jugendlichen Randalierern, die den Wolfsgruß der rechtsextremen Grauen Wölfe zeigen und linken Demonstranten Hassparolen entgegenbrüllen.

Das ist nicht das Bild, das Hamza Imara vor Augen hat. Obwohl der Inhaber des Cafés Hana auf dem Viktor-Adler-Markt bei den Ausschreitungen im Juni erste Reihe fußfrei zusehen musste. „Die Kontrahenten sind links und rechts von meinem Schanigarten gestanden“, schildert er. „Ich hab geglaubt, ich bin im falschen Film.“

„Vielfalt als Chance“

Was da passierte, habe im klassischen Einwandererbezirk niemand verstanden, meint der Sohn ägyptischer Eltern, der mit sechs Geschwistern in Oberlaa aufwuchs und nach dem Studium sein Lokal eröffnete. Die Randalierer repräsentieren den Bezirk nicht, sagt er. „Weil ein echter Favoritner macht so was nicht.“

Favoriten: Ein Bezirk zwischen Orient und Okzident

"Hana"-Betreiber Hamza Imara will in seinem Cafe Brücken bauen - kulturell wie kulinarisch.

Natürlich gebe es in Favoriten, das mit mehr als 207.000 Einwohnern Österreichs drittgrößte Stadt nach Wien und Graz wäre, auch Probleme, meint Imara. Insbesondere die Schulen bedürften mehr finanzieller Unterstützung seitens der Stadt. Und noch mehr Jugendarbeit könne nicht schaden. Im Alltag funktioniere das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft aber gut.

Den Standort für sein Café hat der 27-Jährige daher ganz bewusst gewählt. „Wir wollen eine Brücke zwischen Orient und Okzident sein, wir bringen Wiener Kaffeehauskultur in Verbindung mit arabischen Süßigkeiten. Und dafür ist Innerfavoriten der optimale Ort: Hier leben viele alteingesessene Wiener und auch viele Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Vielfalt ist eine Chance.“

Parallelgesellschaft?

Was das betrifft, gehen die Meinungen allerdings auseinander. Insbesondere FPÖ und ÖVP orten im Bezirk muslimische Parallelgesellschaften. „Menschen, die seit Jahrzehnten hier wohnen, erkennen unser Favoriten nicht mehr“, sagt FPÖ-Bezirksparteichef Stefan Berger.

Um Konflikte wie jene im Juni vorzubeugen, plädieren Blau wie Türkis unter anderem für die Schließung des linksautonomen Zentrums EKH – vor dem die Zusammenstöße zwischen kurdischen bzw. linken und rechten Demonstranten ihren Anfang nahmen. Nach Ansicht der FPÖ sollten am Standort in der Wielandgasse Gemeindewohnungen entstehen, die ÖVP plädiert für eine Schule.

Zudem müsse der Bezirk Meinungsführer der migrantischen Gemeinden regelmäßig am runden Tisch versammeln, um sie an ihre Pflichten zu erinnern, so ÖVP-Spitzenkandidat Wolfgang Baumann.

Hakan Gördü, Gründer der Kleinpartei SÖZ, schlägt dagegen kultursensible Jugendarbeit vor.

Bossbezirk

Die Bedeutung der Parkbetreuung bestätigt SPÖ-Bezirkschef Marcus Franz. Außerdem bedürfe es bei der Polizei Kontaktbeamter für die Jugendarbeit.

Favoriten: Ein Bezirk zwischen Orient und Okzident

SPÖ-Bezirkschef Marcus Franz kann der Wahl entspannt entgegenblicken und sein Tichy-Eis genießen.

37 Prozent Ausländeranteil – in Innerfavoriten ebenso wie im Sonnwendviertel (wo die Bewohner einkommensstärker und bildungsaffiner als im Bezirkszentrum sind) – erachtet der SPÖ-Politiker nicht so sehr als Problem. Die migrantische Bevölkerung schaffe Arbeitsplätze und halte die Märkte am Leben. „Es gibt hier viele Ein-Personen-Unternehmen, die einen wirtschaftlichen Beitrag im Bezirk leisten“, betont Franz.

Allerdings, meint er, dürfe man Integration nicht Moscheevereinen überlassen. Insbesondere der ersten Gastarbeiter-Generation müsse die Stadt soziale Treffpunkte bieten.

Der Bossbezirk, wie Favoriten in der Jugendsprache heißt, habe sich positiv entwickelt, sagt Franz: „Die Fabriksschlote von einst sind weg und der öffentliche Raum wird aufgewertet. Wir haben leistbaren Wohnraum, durchgängige Verkehrsanbindungen und viel Grün im Kurpark oder am Wienerberg. Außerdem haben wir die Therme und das beste Eis.“

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