Essen im Museum als künstlicher Tabubruch

Eine Frau hält ein Sandwich in der Hand, im Hintergrund sind weitere Personen zu sehen.
Regina Picker vereint beim „Performance Brunch“ verschiedene Kunstformen zum Thema Heimat und macht Essen im Museum möglich. Auch in anderen Museen kann man gut speisen

Manchmal – oder auch immer öfter – muss man mit Tabus brechen. 

Das findet die Künstlerin Regina Picker. Die Oberösterreicherin, deren Arbeiten auch in Großbritannien oder Belgien gezeigt wurden, hat sich einen Namen gemacht – unter anderem mit Tanztheater. Am Wochenende residiert ihr seit 2014 erfolgreiches Kunstformat „Performance Brunch“ im Volkskundemuseum.

„Dabei ist endlich auch Essen im Museum erlaubt“, sagt sie. Der Performancebrunch ist ein Hybrid: Theater, dialogische Performance, Lesung und Brunch in einem. Zwischen den Performances wird Essen serviert – ein viergängiges Menü. Diesmal kocht Peter Koblhirt. In dreieinhalb Stunden gibt es vier Performances.

Ein Tisch und Stühle stehen auf einer Wiese voller Gänseblümchen.

Garten in der Klimt Villa

Nur bei Schönwetter hat das Kaffeehaus in der Klimt-Villa Betrieb. Es gilt als Geheimtipp und Ruhepol.

Der Innenhof des Kunsthistorischen Museums in Wien mit Marmorsäulen und einem Café.

Weltmuseun

Hier kann man vorbeischauen und bekommt Museumsgefühl, auch wenn man kein Museumsticket hat.

Menschen genießen den Abend in einer Bar auf dem Dach mit dem Schriftzug „Zur Isabelle“.

Zur Libelle

Am Dach des Leopoldsmuseums gibt es feine Häppchen mit einem Blick über Wien.

Ein Mann bedient zwei Kundinnen in einem Café mit der Aufschrift „Café & Bar“.

Versteckt: Aggys Café

In der Postsparkasse gibt es neuerdings auch ein Kaffeehaus.

Blick durch ein Fenster auf das Kunsthistorische Museum in Wien.

Im Kunsthistorischen Museum

Nur mit Ticket kann man im Café im Kunsthistorischen Museum verweilen. Aber man kann ein Frühstück oder Dinner exklusiv buchen.

Menschen sitzen an Tischen in einer großen Halle mit Glasdach.

Aggys Café

Sandwichs und Kaffee gibt es in dieser feinen Atmosphäre.

Ein Paar sitzt in einem Café mit Blick auf eine Kunstausstellung.

Imperiales Dorotheum

Auch unter den Wienern noch ein Geheimtipp: das Café im Dorotheum.

Der Innenraum des Kunsthistorischen Museums in Wien mit Tischen und Stühlen.

Im Naturhistorischen Museum

Die Mittwoch-Abende alternieren im Programm:  Spargel-Dinner, Muschel-Dinner, Heringsschmaus oder Surf & Turf. Zur kommenden Brasilien-Ausstellung (ab 8. Juni) wird es „Brasilianische Abende“ geben.

In einem hellen Café sitzen und arbeiten mehrere Personen an Tischen.

Hildebrandt

Beliebt ist auch das Kaffeehaus im Volkskundemuseum. Besonders beliebt ist der Garten.

Folklore mal anders

Heimat, Erbe, Herkunft und Erinnerung steht immer auf der Speisekarte des Performance Brunch.Mit dem Format hat Picker eine neue Auseinandersetzung des Heimatbegriffs gesucht und gefunden. Sie entscheidet sich gegen die Spaltung von Hoch- und Volkskultur. Klischees von Jodeln, Dirndl oder Schuhplatteln waren für sie früher befremdlich. Jetzt hat sie zeitgenössische Wege einer Konfrontation gefunden: Tabubrüche und die Verknüpfung von Kunstraum und Kunstpraktiken. „In Schweden kann man Volksmusik studieren, bei uns nicht“, sagt Picker.

In der aktuellen Ausgabe des Brunchs – sie trägt den Titel „Spiagln“ (wie die Spiegelung der Identität) – gibt es zu Beginn ein Quinoa-Frühstück im Hinterhof des Museums. Dann singt Sigrid Horn Chansonlieder im Dialekt. Die Gewinnerin des Hubert-von-Goisern-Kulturpreises gilt als eine der besten Singer- und Songwriterinnen des Landes.

Ein gedeckter Tisch mit Speisen, Getränken und Gästen im Hintergrund.

Essen im Museum

Beim Performance Brunch wird nach jeder Performance ein Gang gegessen. Und das im Museum.

Eine Frau isst vor dem Eingang des Museums für Volkskunde.

Regina Picker

Damit bricht Künstlerin Regina Picker einige Tabus: Das innovative Kunstformat behandelt den Begriff Heimat auf zeitgenössiche Art und Weise. 

Eine Frau in einem schwarzen Kleid manipuliert eine rote Schnur in einem Raum mit Spiegeln.

Performance von Julia Höfler

Julia Höfler spielt ein Ein-Personen-Stück über ein schweres Erbe: Der Großvater erfand eine Handgranate im Weltkrieg.

Eine Frau spielt Ukulele vor einem kleinen Publikum in einem eleganten Raum.

Singen im Dialekt mit Sigrid Horn

Die Lieder im Dialekt von Sigrid Horn sind rührend und einfühlsam.

Ein Mann mit lockigem Haar hält Bücher in der Hand und lächelt vor Publikum.

Omar Khir Alanam

Omar Khir Alanam ist ein syrischer Autor und Poetry-Slammer, der in Graz lebt und in deutscher Sprache publiziert

Eine Gruppe von fünf Personen posiert lächelnd für ein Foto.

Perfomance Brunch Team

v.li.n.re: Julia Höfler, Teresa Distelberger, Omar Khir Alanam, Sigrid Horn und Regina Picker

Für die erste Performance muss man durch das Museum. Hier bekommt man Kunst im Vorbeigehen, quasi gratis dazu. Bei der zweiten Performance erzählt Julia Höfler von dem schwierigen Erbe ihres Großvaters, der mit der Erfindung einer Handgranate im Krieg reich wurde. Ganz bewusst wird nach den einzelnen Performances gegessen. Auch die Künstler sitzen mit am Tisch. „Es gibt Zeit, das Gesehene zu gemeinsam zu reflektieren.“ Und im Museum zu speisen habe einen anderen Effekt.

Der Museumseffekt

Von diesem Effekt – historische Räume gefüllt mit Kunst – bedienen sich Cafés und Restaurants in Museen schon lange (siehe Tipps). Oft sind es die schönsten Räumlichkeiten der Stadt, bekannt ist das aber längst nicht jedem.

Ein Innenhof mit einem Baum, einem Mann an einem Tisch und einem gepflasterten Weg.

Bei Schönwetter findet das Essen im Hinterhof des Volkskundemuseums statt.

Im Naturhistorischen Museum etwa gibt es jeden Mittwoch saisonale Dinner. Derzeit ist es ein Spargeldinner (ab 72 Euro), ab Juni gibt es passend zur Brasilien-Ausstellung ein Brasilien-Dinner. Man wolle so ein anderes Publikum ansprechen. Neugierde auf Kunst und Kultur wecken, heißt es aus dem Museum.

„Nutze dein Museum“

Im Weltmuseum kann man auch ohne Ticket ins Café. In der Klimtvilla gibt es Gugelhupf (4,20 Euro) im Garten, im Kiosk der Libelle auf dem Leopold-Museum Trüffel-Leberkäse (4,50 Euro). Im MAK gibt es ein Restaurant samt verstecktem Garten, im Dorotheum ein Café mit fantastischer Kardinalschnitte (4 Euro) und Blick auf die zu versteigernden Gemälde. Und im Kuppelsaal des Kunsthistorischen Museums kann man donnerstags ein Fünf-Gänge-Dinner buchen (59 Euro).

Die Museen werden zur kulinarischen Muse. „Es ist wichtig, zu wissen, dass die Museen der Gesellschaft gehören“, sagt Volkskundemuseumsdirektor Matthias Beitl. Ganz nach dem Motto: Nutze dein Museum. „Immerhin werden sie großteils von den Steuerzahlern finanziert.“

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