Es werde grell: Endlich wieder im Club abtanzen

Schadi (nur mit Vornamen, li.) und Gerald van der Hint (sein DJ-Pseudonym) im Club am Donaukanal
Discos und Clubs fordern einen Aufsperrplan und neue Corona-Regeln. Ein Gespräch mit den Machern der Wiener Grellen Forelle.

Wenn DJ und Veranstalter Gerald van der Hint (auch bekannt als Gerald VDH) zu seinen Fish-Market-Partys in die Grelle Forelle lädt, dann heißt das vor allem eines: Abfahrt. Zuckende Lichter, schwitzende und johlende Menschen, während der Bass über die volle Tanzfläche schallt. Also all das, was Techno ausmacht.

Seit Corona ist es im Wiener Aushänge-Club leise – seit dreieinhalb Monaten. Wie in allen Discos und Tanzlokalen.

„Die Leute waren, so lange es notwendig war, diszipliniert. Jetzt wollen sie wieder feiern“, sagt van der Hint, für den es mit dem Club-Lockdown reicht. „Und sie wollen das an einem sicheren Platz“, stimmt Schadi, der Geschäftsführer der Grellen Forelle, ein. Wie die beiden fordern immer mehr Branchenvertreter einen Aufsperrplan. Ab 1. August – idealerweise früher – solle es wieder losgehen. Unter gewissen Voraussetzungen mit vielen Hygiene-Maßnahmen.

Es werde grell: Endlich wieder im Club abtanzen

Noch ist die Tür zur Grellen Forelle geschlossen.

Zuletzt haben Club- und Disco-Vertreter aus ganz Österreich – die ihre Präventionskonzepte eingebracht haben – mehrere Gespräche mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) geführt. Das Ministerium hat am Freitag „bis Ende nächster Woche“ ein „Paket mit Lösungsvorschlägen“ für die Nachtgastronomie in Aussicht gestellt.

Sperrstunde

Auch wenn beide Seiten die Gespräche als konsruktiv bezeichnen: einer der Streitpunkte ist ein für Szene-Menschen allzu frühes Lichtauf- und Musikabdrehen. Derzeit gilt ein Uhr früh als Corona-Sperrstunde. „Gerade im Sommer kommen die Menschen nicht vor Mitternacht“, sagt Schadi. „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann ich mit vier Uhr leben. Ein Uhr, das ist der Galgen.“

Und van der Hint schickt pragmatische Dinge ins Rennen: „Wenn wir da zumachen, gehen die Leute auf die Straße, stehen beieinander und ziehen dann weiterfeiern. Damit zerstören wir jede Tracing-Möglichkeit.“

Die Discobetreiber und Co. haben zwecks Nachverfolgung einer möglichen Infektionskette dem Ministerium angeboten, am Eingang – auf freiwilliger und datenschutzrechtlicher Basis – E-Mail-Adressen zu sammeln.

Es werde grell: Endlich wieder im Club abtanzen

Die Terrasse ist auch noch abgesperrt. Und leer.

Noch angesprochen worden sei eine gestaffelte  Öffnung.  Ab 1. August  würden  die  Lokale mit 50 Prozent der  Gästehöchstzahl starten, ab 1. September mit 75 Prozent und  ab 1. Oktober wieder mit voller Gästezahl. Ende nächster Woche weiß man mehr.

Dass die Menschen feiern wollen, merke man: „Man sieht es am Donaukanal“, sagt van der Hint. Dort kommt es immer wieder zu spontanen Partys. Seit Wochen gibt es Diskussionen wegen der Einhaltung von Abstandsregelungen, des Lärms und Müll – und nun Kontrollen von Polizei und Magistrat.

Dass es kein gewohntes Nachtleben gibt, würde auch viele unrund machen: „Es liegt teilweise eine aggressive Stimmung in der Luft. Die Leute können ihre überschüssige Energie nicht loswerden“, glaubt Schadi. Die Randale vergangener Woche in Stuttgart ließen sich mitunter auch darauf zurückführen, meint van der Hint. Und außerdem gehe der LGBTQ-Community durch die Club-Schließungen ein "Safe Space" verloren.

3,5 Monate sind Discos und Clubs in Österreich mittlerweile geschlossen.

2.900 Nachtlokale wie Bars, Discos oder Tanzlokale gab es vor Ausbruch der Krise in Österreich.

24.000 Jobs gab es laut Branchenangaben vor der Pandemie  im Wiener Nachtleben.

1 Milliarde Euro betrug der Jahresumsatz der Nachtgastronomie alleine in der Bundeshauptstadt.

660 Menschen haben in Normalzeiten in der Grellen Forelle Platz.

Auf jeden Fall: Im Vergleich zu anderen Branchen fühlen sie sich schlecht behandelt. „Da gibt es Geschäfte, da spielt am Samstagnachmittag ein DJ – und die sind voll“, moniert Schadi. Er selbst wolle bei der Bar die Anlage abdrehen, dass die Besucher nicht so nahe zusammenstehen, wenn sie sich unterhalten. Rechtliche Tricksereien lehne er ab: "Damit schützen wir weder uns noch unsere Gäste. Ich will nachts gut schlafen und befreit einen Betrieb führen können. Es geht um faire Spielregeln."

Es werde grell: Endlich wieder im Club abtanzen

Schadi und Gerald van der Hint an der Bar. Dort sollen die Boxen abgedreht werden, damit man sich mit ausreichend Abstand unterhalten kann.

Stichwort Beschallung: In Vor-Corona-Zeiten haben sich in der Grellen Forelle prominente Namen der elektronischen Musik die Klinke und den Regler in die Hand gegeben. Wenn aufgemacht werden darf, wird das anders: „Die großen Namen wird es nicht spielen“, erklärt Schadi. Es sei gar nicht so schlecht, dass man sich nicht auf die Namen fokussiere, meint van der Hint. Und außerdem bekommen jetzt die österreichischen DJs die beste Spielzeit.

Hauptsache ist: Zuckende Lichter, schwitzende und johlende Menschen, während der Bass über die (vorläufig wohl nicht mehr volle) Tanzfläche schallt, gibt es wieder.

Ab Juli: 100 Personen  feiern drinnen zeitlos

Ab ersten Juli kommen einige Lockerungen in der Gastronomie und im Veranstaltungsbereich. Außerdem hat die Regierung zuletzt weitere Neuerungen in Aussicht gestellt.

So  fällt die Maskenpflicht für Kellner, auch der Salzstreuer kehrt auf die Tische zurück. Die Sperrstunde für geschlossene Veranstaltungen mit 100 Personen wird mit Anfang Juli aufgehoben, womit man etwa auf Hochzeiten wieder unbeschränkt feiern kann.

Ab 1. Juli gibt es außerdem keine Mindestabstandsregel bei der Sportausübung mehr – jeder In- und Outdoor-Sport ist also damit wieder erlaubt. Allerdings müssen Anwesenheitslisten geführt werden, um ein Contact-Tracing zu ermöglichen.

 Ab September werden unter bestimmten Voraussetzungen Events im Freien mit bis zu 10.000 und drinnen mit bis zu 5.000 Teilnehmern erlaubt  – das betrifft den Sportbereich ebenso wie die Kultur.

Mit den neuen Regeln sind Großveranstaltungen wieder möglich. Allerdings muss es für diese zugewiesene Sitzplätze geben, auch müssen Abstandsregeln eingehalten werden.

Dazu wird laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober auf „freiwilliges Tracking“ gesetzt. Die Namen der besuchenden Personen sollen erfasst werden – und zwar „freiwillig im Rahmen des Datenschutzes“.

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