„Zufrieden, aber nicht euphorisch“ – so fasst der Wiener Geschäfts- und Bundeshandelsobmann Rainer Trefelik das Weihnachtsgeschäft an diesem langen Wochenende zusammen. Die Frequenz besonders am Samstag sei gut gewesen, nur im Umsatz habe sich das nicht so ganz gezeigt.
Jetzt, wenn Weihnachten nicht mehr wegzureden ist, ist sie gekommen: die große Zeit der Wiener Einkaufsstraßen. Dann sollen sie – geschmückt mit Lichtern und Lampen – für ein Einkaufserlebnis der besonderen Art sorgen. Weit weg von Amazon und Co.
Bald allerdings könnten die Einkaufsstraßen als solche zumindest aus dem Sprachgebrauch der Wienerinnen und Wiener verschwunden sein. Denn die stadteigene Wirtschaftsagentur hat in Kooperation mit der Wiener Wirtschaftskammer die sogenannte Geschäftsstraßenförderung umgestellt. Gefördert werden nun nicht mehr einzelne Straßen, sondern ganze Grätzel, der KURIER berichtete.
Diese Änderung bedeutet auch: die Wiener Einkaufsstraßen werden als solche nicht mehr beworben. Stattdessen werben Wirtschaftskammer und Stadt nun unter dem Motto „Meinkaufstadt“ für ganze Grätzeln. Das schließe auch die Märkte und lokale digitale Unternehmen nicht mehr von der Förderung aus, heißt es.
Das Aus für die Einkaufsstraßen bedeutet die aber Umstellung nicht. Dafür reicht ihre Geschichte viel zu weit zurück.
Viel Verkehr
Straßen, auf denen besonders viel eingekauft wurde, kristallisierten sich schon nach der Eingemeindung Ende des 19. Jahrhunderts heraus. Es waren die Zubringer- und Wegbringer zu den vielen kleinen Fabriken, die es etwa im 14., 15., 16. und 17. Bezirk gab. Auch in den 1970er-Jahren war für die Einkaufsstraßen vor allem eines wichtig: gute Erreichbarkeit mit dem Auto. Gut(für die Geschäftsleute), war eine Einkaufsstraßen dann, wenn viel Verkehr war.
Diese Meinung hielt sich bis ins Jahr 2019: Erst als Wiens Standortanwalts Alexander Biach damals erstmals Berechnungen präsentierte, wonach die Verkehrsberuhigung auf den Einkaufsstraßen doch gut fürs Geschäft seien.
Ein Paradigmenwechsel – denn bis dahin war die Wiener Wirtschaftskammer, in der der Standortanwalt formal angesiedelt ist, noch vehement gegen Umgestaltungen – besonders jene der Mariahilfer Straße in eine Begegnungszone – aufgetreten.
Die Geschäftsstraßenförderung, wie es sie heute gibt, hat ihren Ursprung im Jahr 1993. Drei Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte Wien mit großen Kaufkraftverlusten zu kämpfen. Die Wienerinnen und Wiener waren nun mobiler und fuhren zum Einkaufen auch über die Grenze. Dort war es ja auch billiger. Dazu kam: Der Trend zum Einkaufszentrum schwappte allmählich von Amerika auf Österreich über – man hatte Sorge, dass die Einkaufszentren die Innenstädte ruinieren würden.
Im März 1993 stellten daher Stadt und und Handelskammer erstmals 10 Millionen Schilling für die Einkaufsstraßen bereit. Ein Gemeinschaftsprojekt zweier großer Persönlichkeiten dieser Stadt: Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) und Wirtschaftskammer-Präsident Walter Nettig. Das Ziel damals. „Die Umsetzung von Marketingkonzepten, die Verbesserung des Ambientes im Bereich der Oberflächengestaltung.“
Links und rechts
Heute will man weg von der geraden Linie Einkaufsstraße, wo nur links und rechts eingekauft wird. „Man geht wieder verstärkt ins eigene Grätzel“, sagt die Wiener Handelsspartenobfrau Margarete Gumprecht.
Die am stärksten frequentierten Einkaufsgrätzel (Zahlen aus 2021): Graben, Kärntner Straße, Favoritenstraße und das Rochusviertel rund um die Landstraßer Hauptstraße. Die wird – wie berichtet – übrigens bald umgestaltet.
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