Ein kleiner Käfer soll den Lobautunnel stoppen
Er ist 13 Millimeter lang und kommt zwecks Paarung nur höchst selten an die Oberfläche. Sichtungen des stark gefährdeten Einhorn-Trüffelkäfers (Bolbelasmus unicornis, von manchen Autoren fälschlicherweise auch als „Vierzähniger Mistkäfer“ bezeichnet) sind entsprechend rar. Jetzt soll der kleine Käfer allerdings groß ins Rampenlicht treten – und die Wiener Außenring-Schnellstraße S1 samt Lobautunnel sozusagen auf der Zielgeraden doch noch verhindern.
Ins Spiel gebracht wird er von der Umweltschutzorganisation „Alliance for Nature“ (AFN), die sich auf den Wiederfund des selten gewordenen Insekts im Nationalpark Donau-Auen bei Groß-Enzersdorf bezieht. Der letzte bekannte Fund davor liege mehr als vier Jahrzehnte zurück und sei aus der Gegend von Jois im Burgenland gemeldet worden.
EuGH soll prüfen
Mit dem neuen tierischen Player im Bewilligungsverfahren des Großprojekts, das mit 1,9 Milliarden Euro budgetiert ist, muss sich nun das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) auseinandersetzen. Wie berichtet, wird dort aktuell über die Beschwerden der Umweltorganisationen AFN und VIRUS gegen die naturschutzrechtliche Bewilligung des Bauabschnitts von Groß-Enzersdorf nach Süßenbrunn entschieden.
Angesichts des erneuten Vorkommens des Einhorn-Trüffelkäfers in den Schutzgebieten der Donau-Auen stelle sich jetzt aber die Frage, ob die Wiener Außenring-Schnellstraße S1 überhaupt genehmigungsfähig sei, erklärt AFN-Generalsekretär Christian Schuhböck. Überprüfen müsse das in letzter Konsequenz der Europäische Gerichtshof (EuGH). Einen entsprechenden Antrag hat man bereits beim BVwG gestellt.
Rückenwind verspürt Alliance for Nature durch ein aktuelles EuGH-Urteil im Zusammenhang mit einem Infrastrukturprojekt in Schweden. Dort kamen die Richter nämlich zum Schluss, dass
in Flora-Fauna-Habitatsgebieten (FFH) im Fall streng geschützter Tierarten nicht nur die gesamte Population zu schützen sei, sondern auch das einzelne Individuum.
Auf die lange Bank
Für die 19 Kilometer lange Außenring-Schnellstraße S1, von der sich Projektbefürworter eine Verkehrsentlastung der Donaustadt sowie der niederösterreichischen Gemeinden Raasdorf, Deutsch-Wagram, Strasshof und Gänserndorf erhoffen, könnte der Einhorn-Trüffelkäfer eine neuerliche Verzögerung bedeuten. Auf die lange Bank geschoben würden damit auch die Autobahnanbindungen der geplanten Marchfeld-Schnellstraße S8 sowie der Seestadt Aspern.
Zumal auch noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zur Umweltverträglichkeit des Bauvorhabens ausständig ist. 2018 hatte das BVwG diese unter bestimmten Bedingungen ja bereits bestätigt. Tunnelgegner erhoben dagegen allerdings Einspruch.
Und auch wenn der VwGH der Asfinag erneut recht geben sollte, ist das Verkehrsprojekt damit noch nicht endgültig genehmigt. Denn für einzelne Bauabschnitte fehlen noch diverse Bewilligungen von Wiener und Niederösterreichischer Seite – etwa punkto Wasserrecht und Naturschutz.
Bei der Asfinag rechnet man dennoch „im ersten Halbjahr 2021“ mit einer Entscheidung. Diese gelte es abzuwarten. Der Baubeginn 2021 ist aber fraglich.
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