Ein handgemachtes Bett für die Pötzleinsdorfer Linden
Wenn Bauarbeiter eine Baumscheibe – also eine Art Grünfläche um den Stamm – anlegen, dann tun sie das in der Regel mit einem Bagger. Damit wird der Untergrund aufgegraben.
Nicht so in der Pötzleinsdorfer Straße, wo Arbeiter seit knapp einem Monat schwer beschäftigt sind. Sie bauen dort neue, größere Baumscheiben für die 107, teils bis zu 200 Jahre alten Linden, die die Straße säumen. Das ist ein etwas kompliziertes Unterfangen, könnte aber Vorbild zur Rettung weiterer bedrohter Alleen werden.
Der Untergrund der Pötzleinsdorfer Allee ist dicht mit Wurzeln durchzogen. Deshalb müssen die Arbeiter die Rinnen für die Einfassungssteine mit Schaufeln und Mistgabeln händisch anlegen – und die Erde teilweise mit den Fingern von den Wurzeln abkratzen.
Würde man den Bagger nehmen, „wäre das, wie wenn man unsere Haut aufreißen würde“, sagt Gottfried Struggl, einer der Leiter der Grünflächenpflege bei den Stadtgärten.
Sind Wurzeln mit einer Dicke von mehr als drei Zentimetern im Weg, werden diese mit einem glatten Schnitt gekürzt. Damit die „Wunde“ gut verheilt und sich keine Pilze oder Bakterien einnisten, wird sie mit Speziallack oder Vlies verschlossen. Ein eigens beauftragter Baumkontrolleur überwacht jeden Schritt.
360 Liter Wasser pro Baum
Ist die Rinne fertig ausgehoben, kommen Beton und die Einfassungen hinein. „Wir verwenden dafür den Wiener Würfel, eine alte Sorte Granit-Pflasterstein“, sagt Martin Grössler, zuständiger Projektleiter in der MA 28 (Straßenbau).
Bevor jede Baumscheibe mit bis zu zwölf Kubikmetern Substrat aufgefüllt wird, wird noch ein Bewässerungssystem installiert. Über Düsen im Boden werden die Linden künftig automatisch gegossen. In Hitzeperioden können das pro Baum und Woche 300 bis 360 Liter Wasser sein.
Das hat die Pötzleinsdorfer Allee dringend nötig: „Derzeit kommen manche Bäume nicht einmal an Wasser, wenn es regnet“, sagt Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) bei einem Baustellen-Lokalaugenschein. Der Grund: Der Boden um die Stämme ist stark verdichtet, weil seit Jahren Autos darauf parken.
Vielerorts sind die nicht-versiegelten Bereiche und den Stamm auch schlicht zu klein, um den Baum ausreichend mit Wasser zu versorgen.
Tod der Allee drohte
Aus diesen Gründen ist es um die Allee zuletzt nicht gut gestanden: „Würden wir nichts machen, wären die Bäume vermutlich in zehn bis 15 Jahren tot“, so Grünflächenpfleger Struggl.
Um sie zu retten, haben Sima und die Währinger Bezirkschefin Silvia Nossek (Grüne) nun zusammengelegt: Stadt und Bezirk teilen sich die Kosten von 1,3 Millionen Euro für die neuen Baumscheiben. Das Verkehrsressort im Rathaus finanziert zusätzlich einen Radweg, der ebenfalls bereits gebaut wird.
Im Herbst, wenn alle Baumscheiben auf der stadtauswärts führenden Seite fertig sind, bekommen die Linden übrigens noch Gesellschaft: Die Baumscheiben werden dann mit Stauden bepflanzt.
Laub bleibt länger grün
Derart gebettet, sollen die alten Bäume wieder Kraft gewinnen. Struggl geht davon aus, dass man ihnen ihre neuen Scheiben ansehen wird: Das Laub werde im Sommer künftig wohl länger grün sein.
Von dem Aufwand hätten aber nicht nur die Pötzleinsdorfer Linden etwas: „Das ist ein wirkliches Pilotprojekt“, so Struggl. „Daraus können wir für andere Standorte und für die Zukunft viel lernen.“
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