Christof Schremmer: Die Donaustadt bekommt ein Gebiet hinzu, das von der Bevölkerungsgröße zwischen St. Pölten und Klagenfurt liegt. Es gibt dort aber nicht genug Arbeitsplätze. Deshalb müssen so viele Bewohner über die Donau fahren. Auch vom Weinviertel müssen viele durch die Donaustadt ins Zentrum und in den Süden Wiens, weshalb es jetzt schon so viel Verkehr gibt. Mit Parkraumbewirtschaftung und Öffi-Ausbau allein wird man das Problem nicht lösen können – es braucht Wohnen und Arbeiten nördlich der Donau.
Lechner: Es wird so getan, als gäbe es eine Expertenmeinung, wonach die Straße allein genügen würde. Das ist grundlegend falsch. Laut Expertenkommission sind vielmehr Maßnahmen wie der Öffi-Ausbau Grundvoraussetzung, damit die Umfahrung Sinn macht. Wien, NÖ und der Bund müssen aber in die Gänge kommen, um diesen auch umzusetzen. Vor allem, wenn es um die S-Bahn geht.
Was wären die Folgen, wenn das Projekt nicht kommt?
Schremmer: Ohne Umfahrung droht in der Donaustadt das vollständige Verkehrschaos, der Bezirk wäre nicht mehr lebenswert. Der Weiterbau der Seestadt und die dort geplante Schaffung von mindestens 10.000 Arbeitsplätzen ist nur möglich, wenn man neben den Öffis auch den Individualverkehr ausbaut, weil der Standort schon jetzt für den Wirtschaftsverkehr nur unsicher erreichbar ist. Das wurde in der TU-Studie von 2018 überhaupt nicht berücksichtigt. Wenn der Ausbau der Infrastruktur nicht erfolgt, verlagert sich das Wiener Wachstum noch weiter nach außen, etwa ins Weinviertel.
Lechner: Für die Seestadt verlangt die UVP einen Baustopp, wenn das nötige Straßennetz nicht errichtet wird. Die Wohnungen entstünden dann aber trotzdem, nur eben in Gänserndorf. Viele Bewohner fahren dann mit dem Auto nach Wien. Niemand will einen zweiten Speckgürtel.
Projektgegner warnen, dass es damit über Jahre hinweg zu einem massiv erhöhtem -Ausstoß kommt.
Lechner: Die Berechnungen gehen von 37.000 Tonnen an Emissionen mehr pro Jahr aus. Das ist ein halbes Prozent der Wiener Emissionen. Diese Zahlen stammen aber aus 2017. Die damaligen Verkehrsmodelle beinhalteten noch keine E-Mobilität, ja nicht einmal die neuen Abgasnormen. Die Emissionen werden also viel geringer sein.
Klimatologin Helga Kromp-Kolb kritisiert, dass die übergeordnete Verkehrsplanung vor Festlegung der jetzt gültigen Klimaziele erfolgt ist. Bräuchte es nicht eine Neubewertung des Projekts?
Lechner: Es wurde auch die Klimawirkung beurteilt. Wir als Ökologie Institut wurden herangezogen, nicht weil wir Spaßgutachten abgeben, sondern weil wir bekannt kritisch sind. Es mag aber schon sein, dass die Zahlen, die bei unserer Prüfung herausgekommen sind, für manche nicht schlecht genug sind. Wobei wir vom Worst Case ausgegangen sind.
Können Sie damit leben, dass der Tunnel durch ein Naturschutzgebiet führt?
Lechner: Das ist natürlich nicht lustig und eine Herausforderung – bis hin zur Grundwasser-Situation. Ich gehe aber davon aus, dass in unserem Rechtsstaat derartige Bedenken auch gesehen werden. Und wenn es Probleme gibt, die nicht behebbar sind, dann muss es auch einen negativen Bescheid geben. Ein Tunnel ist aber immer noch besser als eine überirdische Lösung.
Schremmer: Ursprünglich wurde eine Trasse vorgeschlagen, die in dieser Hinsicht günstiger gewesen wäre. Dass die Donauquerung nun woanders erfolgen soll, war ein politischer Beschluss. Das war vor 14 Jahren. Bis zur Fertigstellung werden wohl 30 Jahre vergangenen sein. Eine Neuplanung würde weitere zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen und müsste wieder die Frage der Verkehrserschließung des in den nächsten Jahren am stärksten wachsenden Stadtteils lösen.
Lechner: Aber wenn aus Gründen des Naturschutz das Projekt nicht umsetzbar ist, ist das zu akzeptieren. Aber auch umgekehrt ist irgendwann der Punkt erreicht, wo man sagen muss, dass das Verfahren erschöpft ist und alle Argumente vorgelegt wurden.
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