Die Wiener SPÖ im Klimaschutz-Dilemma
Wer mit Holz statt mit Beton baut, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Deshalb will die Stadt Wien in den kommenden Jahren 1.000 Sozialwohnungen in Holz- oder Holzhybridbauweise errichten. Das kündigen Bürgermeister Michael Ludwig und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (beide SPÖ) an.
Schließlich nehme man „den Klimaschutz seit mehr als 20 Jahren sehr ernst“, betonte Ludwig bei der Präsentation. Überhaupt entwickelte er in den vergangenen Tagen eine bemerkenswerte Aktivität als Klimaschützer, vor allem in den sozialen Medien: Als „Klimaschutz-Politik der großen Schritte“ feiert Ludwig dort ein Abkommen mit den Bürgermeistern Berlins und Berns. Genauso wie die „konsequente ökologische Wohnbau-Politik“, die Wien verfolge.
Kaum ein Tag vergeht, an dem Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) nicht ein Projekt (mit-)eröffnet, das die Folgen des Klimawandels eindämmen soll. Dort eine Nebeldusche, da eine Begrünung, zuletzt sogar ein Rinnsal, das die Zollergasse kühlen soll. (Viele dieser Projekte wurden übrigens noch von den Grünen auf den Weg gebracht.)
Dass der Umweltstadtrat seit Herbst eigentlich Jürgen Czernohorszky heißt, gerät beinahe in den Hintergrund. Immerhin: Am Mittwoch darf er den Spatenstich für einen neuen Park am Nordbahnhof-Gelände durchführen.
Grüner als die Grünen?
Fast scheint es, als wolle die Wiener SPÖ wieder einmal grüner sein als die originalen Grünen. In der Öffentlichkeit werden die Roten allerdings (noch) nicht so stark als Klimaschutzpartei wahrgenommen. Verantwortlich dafür ist auch ein Thema, das die vergangenen Tage weit mehr dominierte als diverse Begrünungs- und Kühlungsaktionen: der Streit um den Lobautunnel. Neu angefacht wurde er durch die Ankündigung von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), dieses und andere Straßenprojekte noch einmal zu überprüfen. Was ihr prompt Ludwigs Drohung mit Klagen einbrachte, sollte die Nordostumfahrung dadurch gestoppt werden.
Wasser auf den Mühlen derer, für die die SPÖ immer noch als „Betonierer“-Partei gilt. Sie weisen darauf hin, dass im rot-pinken Koalitionspakt ein „Klimacheck“ für neue städtische Projekte vereinbart ist, die SPÖ aber Sturm läuft, wenn Gewessler einen solchen für den Lobautunnel plant. Oder darauf, dass die SPÖ die geplante Verkehrsberuhigung der Praterstraße verzögert.
Auch parteiintern missfällt das: Parteirebell Niki Kowall befand vor Kurzem, der SPÖ fehle bei zentralen Themen eine klare Linie. Dazu gehöre neben der Migrations- auch die Klimapolitik.
Seit Hainburg gespalten
„Tatsächlich ist die SPÖ in dieser Frage bis zu einem gewissen Grad gespalten. Und das schon seit Hainburg“, sagt der Politik-Berater Thomas Hofer und erinnert auch an den Nationalratswahlkampf 2019, als die Grünen gegen Billigfleisch aufgetreten waren und sich die SPÖ daraufhin als Retter des Schnitzels inszenierte.
Die inneren Widersprüchliche würden sich daraus ergeben, dass Klimaschutz auch eine soziale Frage sei. Die klassische SPÖ-Klientel im Gemeindebau könne es sich schlichtweg nicht leisten, selbst eine Solaranlage aufs Hausdach zu stellen.
Ähnlich verhalte es sich beim Lobautunnel. Hier müsse Ludwig auf seine Verbündeten in den Flächenbezirken Rücksicht nehmen, die massiv unter der Verkehrsbelastung leiden – und sich vom Tunnel Entlastung erhoffen. Aktionen wie die Eröffnung der nächsten Nebeldusche würden daneben nur wie „Symbolpolitik“ erscheinen, sagt Hofer. Er glaubt nicht, dass sich diese innere Widersprüchlichkeit beseitigen lasse: „Da müsste die SPÖ den Grünen das Thema gänzlich wegnehmen, was schwer möglich ist“.
Sozialer Klimaschutz
Sehr wohl möglich sei es aber, als SPÖ stärker darauf zu pochen, dass die Vermögenden und die Konzerne beim Kampf gegen den Klimawandel stärker finanziell in die Pflicht genommen werden. Einen Versuch, Klimaschutz und Soziales zu verbinden, unternahm die SPÖ übrigens vergangene Woche im Bund: Ihre Zustimmung zum Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen ließ sie sich mit entlastenden Maßnahmen für Geringverdiener abkaufen.
Ludwig setzt auf eine andere Strategie: Darauf angesprochen, wie sich der Lobautunnel mit dem Klimaschutz vereinbaren lässt, sagt er: „Der Tunnel in der geplante Form ist die verträglichste Variante. Kommt die Nordostumfahrung nicht, droht eine weitere Versiegelung der Region. Ob das ökologisch sinnvoller ist, wage ich zu bezweifeln.“
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