Die Wachs-Venus empfängt wieder Besucher

Vor wenigen Jahren, in einem besonders heißen Sommer, bekam Markus Müller, Rektor der MedUni Wien, einen ungewöhnlichen Anruf: Aufgrund der fehlenden Klimaanlage würden die über 200 Jahre alten anatomischen Wachsmodelle im Josephinum in der Währinger Straße zu schmelzen drohen, erzählte ihm Christiane Druml, die Direktorin der zur Uni gehörigen medizinhistorischen Sammlung, voller Sorge. Das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert brauche dringend eine umfassende Sanierung.
Im Februar 2019 startete die zuständige Bundesimmobiliengesellschaft mit den Renovierungsarbeiten – inklusive Temperaturkonzept für die Wachsfiguren. Rund elf Millionen Euro wurden investiert. Nun ist die Sanierung abgeschlossen, das Medizin-Museum wird mit 29. September wieder für Besucher (erstmals auch barrierefrei) zugänglich sein.

Das gilt auch für den Hörsaal, der nahezu in seinen originalen Zustand versetzt wurde. Damit sind auch die Fresken aus dem Jahr 1785 wieder sichtbar. Sie zeigen berühmte Mediziner.
Fresken freigelegt
Die Gemälde wurden bereits im 19. Jahrhundert übermalt. Bei der Freilegung stießen die Restauratoren auf eine unliebsame Überraschung: Eine Farbschicht mit hochgiftigem Arsen. Der Hörsaal musste daraufhin aufwendig dekontaminiert werden.

Der Hörsaal
Außerdem wurde eine Zwischendecke entfernt, die den Blick auf die Fresken verdeckt hatte. Nun kann der Hörsaal für wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen genutzt werden.
Die Besucher können auch wieder die in Florenz gefertigte „Venus“ aus Wachs mit ihren freigelegten Organen bestaunen. Völlig neu gestaltet wurden zudem die weiteren Ausstellungsbereiche. Sie folgen keiner chronologischen Ordnung, vielmehr wurden mehrere Themenräume geschaffen. „Staat, Macht und Medizin“ heißt einer davon. Er setzt sich mit dem mitunter schwierigen Wechselspiel zwischen Politik und Heilkunde auseinander.
NS-Medizin
Zu sehen sind zum Beispiel historische Impfdokumente bis herauf zu jener Urkunde, die anlässlich der ersten Covid-Impfung Ende 2020 in Wien ausgestellt wurde.
In bedrückender Weise beschäftigt sich der Raum auch mit der NS-Medizin. Symbolisch dargestellt durch ein Konservierungsglas, in dem Organe der am Spiegelgrund ermordeten Kinder aufbewahrt wurden. Die Präparate dienten noch in der Nachkriegszeit Forschungszwecken.

Düsteres Relikt aus der NS-Zeit
Erschütternd auch die Gipsmodelle, die zur Veranschaulichung der schweren Gesichtsverletzungen angefertigt wurden, die Soldaten im Ersten Weltkrieg erlitten hatten.
Andere Exponate stehen in Verbindung mit prominenten historischen Persönlichkeiten: Briefe und ein handgeschriebener Lebenslauf von Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, etwa, aber auch jene Feile, mit der ein Anarchist 1898 Kaiserin Elisabeth in Genf ermordete.
Seine Feuertaufe wird das neu gestaltete Museum bereits in wenigen Tagen erleben – bei der „Langen Nacht der Museen“, die am kommenden Samstag über die Bühne geht.
Mitarbeit: Gerlinde Scholz
Bau
Das Josephinum am Alsergrund (9., Währinger Str. 25) wurde 1785 im Auftrag von Kaiser Joseph II. fertiggestellt. Architekt des Baus im klassizistischen Stil war Isodor Canevale
Nutzung
Ursprünglich beherbergte das Josephinum eine militärisch-chirurgische Akademie, die 1874 aufgelassen wurde. Heute beherbergt es das Institut für Geschichte der Medizin der MedUni Wien und dient als medizinhistorisches Museum
1.000 Quadratmeter
umfasst die Ausstellungsfläche des Museums, das thematisch vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht
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