Die Suche nach dem Glöckner vom Stephansdom
Zugegeben: Die Schaltzentrale für das Glockenspiel im Stephansdom könnte imposanter sein. Mit Hunderten Knöpfen vielleicht. Und Farbcodes. Und Reglern.
Doch: Sie besteht nur aus zwei Kästchen – einem größeren und einem kleineren. Und befindet sich in einem Kammerl in der Sakristei, in dem auch die Kerzen für die Gottesdienste liegen und die Putzwagen für die Reinigungskräfte parken.
Auf dem größeren Kästchen befinden sich 19 Schalter (elf für die Glocken im Südturm, acht für die historischen Glocken im Nordturm). Das kleinere Kästchen ist der sogenannte Läutcomputer.
Und auf den hat sich - wie berichtet - in der Nacht auf Mittwoch jemand unerlaubt Zugriff verschafft.
Das hatte zur Folge, dass das Festtagsgeläute des Stephansdoms mitten in der Nacht 20 Minuten lang erklang und Dompfarrer Toni Faber von Kardinal Christoph Schönborn aus dem Bett geläutet wurde – theoretisch aber nur. Praktisch hatten das zuvor schon die Glocken erledigt.
Dass überhaupt jemand von außen und übers Internet die Glocken des Doms starten kann, ist grundsätzlich möglich, weil die Glocken digitalisiert sind. Das tägliche Glockenläuten um
7 Uhr, 12 Uhr und 17 Uhr etwa ist voreingestellt und beginnt automatisch. Zusätzliche Glocken für besondere Gottesdienste müssen extra programmiert werden.
Über die Schalter auf dem große Kästchen können die Glocken händisch gestartet werden; über den Läutcomputer auch digital.
Und: Bei Problemen können die Glocken so auch von der Innsbrucker Firma Grassmayr, die den Läutcomputer betreut, extern gewartet werden. Und die Techniker müssen nicht extra anreisen.
Kein Hacker
Wie genau jemand Zugriff auf den Läutcomputer erlangen konnte, kann sich derzeit jedenfalls niemand erklären. Auch Bekenner gibt es bisher keine.
Fest steht, dass eine externe Person im Besitz der Zugangsdaten gewesen ist, sich also nicht am System zu schaffen gemacht und „eingehackt“ hat. Laut Mathias Rentzsch von Grassmayr sind fünf Personen im Besitz dieser Daten.
Da das System bisher nicht erfasst hat, woher die Zugriffe auf den Computer stammten, gebe es dafür auch keinerlei Anhaltspunkte – wie etwa eine IP-Adresse, erklärt er dem KURIER.
Auch die Polizei bestätigt, dass es bisher keinen Tatverdächtigen gibt. Weil aber der Verdacht des widerrechtlichen Zugriffs auf
ein Computersystem (§118a StGB) im Raum steht, hat die Polizei nun mit Erhebungen begonnen.
Schaden ist laut Dompfarrer Toni Faber jedenfalls keiner entstanden. Abgesehen davon natürlich, dass das nächtliche Glockenläuten für Verunsicherung sorgte.
Bleibt also die Frage, wer und warum sich jemand Zugriff auf das Glockensystem des Doms verschafft hat. Ein Scherz? Eine Mutprobe?
Toni Faber geht eher davon aus, dass jemand die Glocken als Zeichen des Friedens geläutet hat – und gegen das nächtliche Bombardement Russlands auf die Ukraine.
Inzwischen wurde übrigens eine weitere Sicherheitsstufe eingeführt. Zugriffe können nun nur noch über einen speziellen VPN-Tunnel, also eine geschützte Netzwerkverbindung, erfolgen.
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