Besuch bei Toni Faber: Ein Bewahrer, der das Risiko sucht

Besuch bei Toni Faber: Ein Bewahrer, der das Risiko sucht
Der Dompfarrer des Wiener Stephansdoms führte den KURIER durch sein Büro. Was Lust, Freude und Risiko mit seinem Job zu tun haben und warum er Orgelpfeifen hortet.

Links an der Wand, ein paar Schritte neben dem großen Besprechungstisch, steht ein kleinerer Tisch. Zwei Menschen, zwei Kaffeetassen – mehr hat nicht Platz, und mehr braucht es auch nicht. Dompfarrer Toni Faber sitzt hier mit Menschen, die mit ihren Sorgen zu ihm kommen. Über dem Tisch hängt ein Bild mit tiefroten Farbspritzern. „Blutig, hingeworfen – wie das Leben manchmal ist“, sagt Faber.

An der Wand gegenüber ist ein Kredenzaltar. Barock, kunstvoll geschnitzt, mit Jesus am Kreuz, Engerln, Petrus und Paulus. Darauf ein modernes Kunstwerk, das aussieht wie ein zerfetztes Buch mit Nägeln, die herausragen. Worte, sagt der Dompfarrer, stiften nicht nur Sinn, sie heilen nicht nur. Oft verletzen sie auch. In diesem Raum prallt vieles aufeinander. Der Dompfarrer liebt Gegensätze.

Büro von Toni Faber

Willkommen im Büro von Dompfarrer Toni Faber

Büro von Toni Faber

Faber wurde 1997 Dompfarrer von St. Stephan, zudem ist er Dechant des 1. Bezirks in Wien

Büro von Toni Faber

An diesem kleinen Tischerl empfängt der Dompfarrer Menschen, die mit Sorgen zu ihm kommen

Büro von Toni Faber

Der barocke Kredenzaltar mit einem modernen Kunstwerk als Kontrast...

Büro von Toni Faber

... das Buch (die Heilige Schrift?) ist zerfleddert und von Nägeln durchbohrt

Büro von Toni Faber

Am großen Besprechungstisch finden u.a. Vorbereitungen zur Taufe oder Hochzeit statt

Büro von Toni Faber

Erinnerungsstücke und Geschenke, schön aufgereiht an der Stirnseite des Schreibtisches

Büro von Toni Faber

Auf diesem kleinen Tischerl liegt Fabers Studienbibel auf...

Büro von Toni Faber

... eine Gedächtnisstütze, wie er sagt, die er neu hat binden lassen

Büro von Toni Faber

Die Himmelsleiter am Stephansdom, hier als Miniatur

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Das Kunstwerk links wird in der Osternacht 2022 enthüllt

Büro von Toni Faber

Der Manner-Automat ist nur für Gäste. Faber: "Ich habe viele Schwächen, naschen gehört nicht dazu"

Büro von Toni Faber

Die alten Orgelpfeifen hebt der Dompfarrer auf, um sie zu verschenken

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Die alte Taschenuhr hat ihm jemand geschenkt

Büro von Toni Faber

Ebenso das Kreuz, geschweißt aus Granatensplittern von den Golanhöhen

Büro von Toni Faber

Die CD der Popsängerin Adele hat er sich kürzlich gekauft. Lieblingssong: "Oh my god"

Riskantes

Das Bild hinter seinem Schreibtisch heißt: „Lust und Freude am Risiko“. Klingt aufregend. Und ja, das passt durchaus zum Leben eines Pfarrers, sagt er. „Ich habe in meinem Beruf lernen müssen, dass ich nicht nur ein Bewahrer bin, sondern auch vieles riskieren muss, um Menschen für Gott zu gewinnen und dem Leben noch besser zu dienen.“

Riskant war etwa die Einrichtung der Impfstraße im Stephansdom. Die Warteschlange an Impfwilligen ist lang, der Zorn der Impfgegner groß. Den Dompfarrer schimpfen sie einen Satanisten. Faber schüttelt den Kopf. Verrückte Zeiten.

Aus einer ganz anderen Zeit stammt eine Bibel, die auf einem weiteren Tischerl nebst Sterbebildern und Kerzen aufliegt. Es ist die Bibel aus Fabers Studienzeit, mit ihr saß er schon am See Genezareth und am Berg Sinai. So zerschlissen war sie, dass er sie neu hat binden lassen. Bis heute blättert er gerne darin. „Die Zeilen, die ich als Student angestrichen habe, erinnern mich daran, was mir damals wichtig war, wie ich gedacht habe“, erklärt der 59-Jährige.

Zu Besuch in Toni Fabers Domkanzlei

Freudvolles

In einer Ecke lehnen Orgelpfeifen, die auf einen Anlass warten. Faber ist berüchtigt dafür, Bestandteile des Stephansdoms, meist Dachziegel, zu verschenken. Im Gegenzug gibt es oft Spenden für die Dom-Renovierung, sagt er.

Beachtlich ist auch die Sammlung an Geschenken, die der Dompfarrer selbst erhalten hat: Eine alte Taschenuhr zum Beispiel, ein Engel mit abgebrochenem Flügel, oder ein Kreuz, geschweißt aus tödlichen Granatensplittern von den Golanhöhen.

Auf dem Schreibtisch, zwischen Arbeitsutensilien, Büchern und Zeitungen, liegt die neue CD der britischen Popsängerin Adele, die sich Faber kürzlich gekauft hat. Sein Lieblingssong? „Oh my god“. Auch da geht es um Zerrissenheit, um Freudvolles und Riskantes. „Herr, lass mich nicht im Stich“, singt sie.

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