Besuch bei Toni Faber: Ein Bewahrer, der das Risiko sucht

Links an der Wand, ein paar Schritte neben dem großen Besprechungstisch, steht ein kleinerer Tisch. Zwei Menschen, zwei Kaffeetassen – mehr hat nicht Platz, und mehr braucht es auch nicht. Dompfarrer Toni Faber sitzt hier mit Menschen, die mit ihren Sorgen zu ihm kommen. Über dem Tisch hängt ein Bild mit tiefroten Farbspritzern. „Blutig, hingeworfen – wie das Leben manchmal ist“, sagt Faber.
An der Wand gegenüber ist ein Kredenzaltar. Barock, kunstvoll geschnitzt, mit Jesus am Kreuz, Engerln, Petrus und Paulus. Darauf ein modernes Kunstwerk, das aussieht wie ein zerfetztes Buch mit Nägeln, die herausragen. Worte, sagt der Dompfarrer, stiften nicht nur Sinn, sie heilen nicht nur. Oft verletzen sie auch. In diesem Raum prallt vieles aufeinander. Der Dompfarrer liebt Gegensätze.
Riskantes
Das Bild hinter seinem Schreibtisch heißt: „Lust und Freude am Risiko“. Klingt aufregend. Und ja, das passt durchaus zum Leben eines Pfarrers, sagt er. „Ich habe in meinem Beruf lernen müssen, dass ich nicht nur ein Bewahrer bin, sondern auch vieles riskieren muss, um Menschen für Gott zu gewinnen und dem Leben noch besser zu dienen.“
Riskant war etwa die Einrichtung der Impfstraße im Stephansdom. Die Warteschlange an Impfwilligen ist lang, der Zorn der Impfgegner groß. Den Dompfarrer schimpfen sie einen Satanisten. Faber schüttelt den Kopf. Verrückte Zeiten.
Aus einer ganz anderen Zeit stammt eine Bibel, die auf einem weiteren Tischerl nebst Sterbebildern und Kerzen aufliegt. Es ist die Bibel aus Fabers Studienzeit, mit ihr saß er schon am See Genezareth und am Berg Sinai. So zerschlissen war sie, dass er sie neu hat binden lassen. Bis heute blättert er gerne darin. „Die Zeilen, die ich als Student angestrichen habe, erinnern mich daran, was mir damals wichtig war, wie ich gedacht habe“, erklärt der 59-Jährige.
Zu Besuch in Toni Fabers Domkanzlei
Freudvolles
In einer Ecke lehnen Orgelpfeifen, die auf einen Anlass warten. Faber ist berüchtigt dafür, Bestandteile des Stephansdoms, meist Dachziegel, zu verschenken. Im Gegenzug gibt es oft Spenden für die Dom-Renovierung, sagt er.
Beachtlich ist auch die Sammlung an Geschenken, die der Dompfarrer selbst erhalten hat: Eine alte Taschenuhr zum Beispiel, ein Engel mit abgebrochenem Flügel, oder ein Kreuz, geschweißt aus tödlichen Granatensplittern von den Golanhöhen.
Auf dem Schreibtisch, zwischen Arbeitsutensilien, Büchern und Zeitungen, liegt die neue CD der britischen Popsängerin Adele, die sich Faber kürzlich gekauft hat. Sein Lieblingssong? „Oh my god“. Auch da geht es um Zerrissenheit, um Freudvolles und Riskantes. „Herr, lass mich nicht im Stich“, singt sie.
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