Die Retterin der Währinger Kaschmirpullover

Die Retterin der Währinger Kaschmirpullover
Das alteingesessene Nähzubehör-Geschäft Pribil in der Währinger Straße wurde saniert und neu übernommen.

Die Währinger, die kaufen ein bisschen anders ein als die anderen Wiener. Das hat Jacqueline Gugerel erst nicht gewusst, aber mittlerweile gelernt: „Die Leute gehen hier am Samstag tatsächlich noch Auslagen-Schauen. So wie andere Eisessen“, sagt sie.

Deshalb hat sich Gugerel für die Auslage des Geschäfts in der Währinger Straße 132, das sie vor Kurzem übernommen hat, etwas Besonderes überlegt: Die Niederösterreicherin hat eine alte Singer-Nähmaschine mit Fußantrieb – ein Erbstück – aus dem Keller geholt, restauriert und ins Fenster gestellt. So haben die Währinger endlich wieder was zum Schauen.

Zuletzt herrschte in der Währinger Straße 132 Auslagen-Flaute. Im Jänner sperrte die Familie Pribil ihren dortigen Nähzubehör-Laden zu und setzte sich zur Ruhe – nach 43 Jahren. Das war die Chance für Gugerel.

Die Retterin der Währinger Kaschmirpullover

In der Auslage ist eine alte Nähmaschine ausgestellt. 

Sie ist bereits seit Jahrzehnten im Nähgeschäft, alleine 35 davon bei dem bekannten Stoffhändler Komolka in der Mariahilfer Straße. Diese Sparte hat in ihrer Familie Tradition: Gugerels Oma war Schneiderin, ihr Vater führte in Favoriten ein eigenes Geschäft. Als Gugerel hörte, dass die Familie Pribil einen Nachfolger sucht, sah sie die Möglichkeit gekommen, die Familiengeschichte fortzuführen.

Ärmelschoner gefragt

Ein Monat lang hat sie den Laden grundlegend renoviert. „Neue Leitungen, neuer Boden, neue Einrichtung“, zählt sie auf. Am 1. März war es so weit: Gugerel eröffnete unter dem Namen „Wolle und Faden“.

Dieser Name ist Programm. Wolle gibt es in Basis-Ausführung, „für Schüler oder für die Oma, die eine Baby-Jacke stricken will“, wie Gugerel sagt. Ein paar „Schmankerl“ – damit gemeint ist Wolle in besonders modischen Farben – sind auch dabei.

Dazu kommt Nähseide in allen Stärken, Materialien und Farben. Darüber hinaus verkauft Gugerel alles, was man sonst noch zum Nähen bracht – darunter Nadeln, Nähmaschinenöl, Reißverschlüsse und eine kleine Auswahl an Stoffen.

Die Retterin der Währinger Kaschmirpullover

Jacqueline Gugerel versorgt Währing mit Nähseide, Nadeln, Wolle, Stoff und vielem mehr. 

Ihr Kassenschlager sind Ärmelschoner: „Daran merkt man, dass die Währinger noch viel reparieren. Die kommen dann zum Beispiel mit dem Kaschmirpullover vorbei und suchen was zum Ausbessern.“ Das liege wohl an der Altersstruktur des Bezirks, sagt Gugerel: Währing ist mit einem Durchschnittsalter von 41,7 Jahren einer ältesten Wiener Bezirke. Aber es würden auch Junge Textilien herrichten. Das sei mit den Lockdowns gekommen – und geblieben.

Bewusster Verzicht auf Webshop

Fachgeschäfte wie „Wolle und Faden“ zu führen, sei nicht einfach, sagt Gugerel. „Das kann eigentlich nur an einem Standort funktionieren, wo jemand in Pension geht und es einen Kundenstock gibt.“ Das liege auch an der Konkurrenz durch das Internet, die sich durch Corona verstärkt habe.

Gugerel will dennoch auf einen Webshop verzichten – ganz bewusst. Denn eines könne der nicht bieten: „Meine Kunden wollen ein Einkaufserlebnis. Die möchten etwas anschauen und beraten werden.“ Deshalb glaubt Gugerel fest daran, dass stationäre Handarbeitsläden Zukunft haben.

Handarbeitsgrätzel

Ihre Nachbarschaft legt jedenfalls nahe, dass sie damit Recht haben könnte. Im Umkreis befinden sich gleich mehrere ähnliche Läden: Etwa das Stoffgeschäft „Giraffenland“ in der Währinger Straße 160, der Bastelladen „Creatopia“ in der Gentzgasse 109 und das „Woll-Habitat“ in der Türkenschanzstraße 2.

Öffnungszeiten
18., Währinger Straße 132,
Montag bis Freitag: 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr
Samstag: 9 bis 13 Uhr

Zusätzliches Angebot
Künftig will Inhaberin Jacqueline Gugerel Strick-Workshops anbieten, die Termine sind noch offen.  Am 1. und 2. Oktober veranstaltet sie das Wiener Woll- und Stofffest 

„Wir ergänzen uns gut“, sagt Gugerel. Gemeinsam mit dem „Woll-Habitat“ will sie demnächst sogar einmal im Monat Strick-Workshops anbieten.

Hilfe hat Gugerel von einer fixen Mitarbeiterin und ihrer 16-jährigen Tochter, die sich im Laden ihrer Mutter etwas dazuverdient. Ob sie anschicke, in deren Fußstapfen treten wolle? „Ich glaube eher nicht. Aber man weiß ja nie.“

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