Der „Vater des Museumsquartiers“ räumt mit Halbwissen über Neubau auf
In den Jahren 1991 bis 1998 war Herbert Tamchina Bezirksvorsteher (SPÖ) im 7. Bezirk. Heute ist er 84 Jahre alt. Kaum jemand habe so lange im Bezirk gelebt wie er. „Es sind nicht ganz 74 Jahre“, erzählt er im Gespräch mit dem KURIER.
Noch immer organisiert er Stadtführungen, vor allem durch seinen Lieblingsbezirk. „Wissen Sie, vieles, was auf Wikipedia steht, ist nämlich falsch“, sagt er. So fühlte er sich dazu berufen, sein Wissen niederzuschreiben.
Die Ergebnisse können nun in einem Buch nachgelesen werden: „Am Neubau, ein geschichtlicher und kultureller Rundgang durch den 7. Wiener Bezirk“ heißt es. Den Leser erwartet eine Mischung aus Daten, Fakten und Anekdoten, die nur ein echter Insider kennen kann. Auch für die Fotos zeichnet Tamchina selbst verantwortlich.
Bezirkswappen
Die wichtigste Frage vorab: Welche Ungereimtheiten aus dem Netz werden im Buch aufgeklärt? Falsch sei etwa eine Behauptung über das Bezirkswappen: „Vor rotem Hintergrund ist ein silberner Halbmond abgebildet. Darüber steht ein goldenes Kreuz. Dies symbolisiert, nicht wie im Internet erklärt, den Sieg und die Abwehr bei der Türkenbelagerung 1683, sondern den Sieg des Glaubens über die Vergänglichkeit“, erklärt der Autor.
Der literarische Rundgang „am Neubau“ reicht übrigens von der Römerzeit bis heute. Wissenswertes erfährt man aber auch ganz generell über Wien. Etwa, dass in der Karolingischen Zeit (8. bis 9. Jahrhundert) die sogenannten Ing-Dörfer entstanden: Ottakring, Meidling oder Simmering.
Außerdem erzählt Tamchina, dass die Mechitaristenkirche und das armenische Zentrum noch heute das europäische Zentrum der Armenier seien. Über 200.000 Bücher über Armenien findet man dort.
Weitere Gusto-Stückerl aus dem Werk: Hier erfährt man die „wahre“ Geschichte vom ersten Wiener Kaffeehaus oder warum die Zollergasse früher „Totengasserl“ genannt wurde. Auch der Geschichte des Spittelbergs, benannt nach einem Bürgerspital im 17. Jahrhundert, wird explizit in Tamchinas Buch auf die Spur gegangen. Mit seinen 20 Metern Höhe war er damals die einzige nähere Erhöhung rund um Wien und Ausgangspunkt für Angriffe – für Türken, Franzosen, Bayern und im 30-jährigen Krieg sogar für die Schweden.
Wie das Museumsquartier entstand
Ein Kapitel widmet Tamchina im Buch auch dem Museumsquartier. Denn zu seiner Zeit als Bezirksvorsteher ist das MQ quasi entstanden. „Vater des Museumsquartiers kann man mich nennen“, meint er.
Damals übersiedelte die Wiener Messe in den Prater, das Museumsquartier, die ehemaligen Hofstallungen des Kaisers, sollten Wiens größtes Kulturprojekt werden. In die Geschichte sind die Diskussionen um den Bau eines Turmes eingegangen. Architekten, Medien, Politik und Künstler sowie Bürgerinitiativen standen jahrelang im Streit. Der Turm sollte das Symbol des neuen Museumsquartiers werden. Schließlich wurde er doch nicht gebaut, er hätte nicht höher als der ursprüngliche Bau von Fischer von Erlach sein dürfen. „Höher gebaut wurde schließlich aber doch. Die Dachterrasse Libelle ist nämlich höher“, sagt Tamchina.
Herbert Tamchina: Am Neubau, Ein geschichtlicher und kultureller Rundgang durch den 7. Wiener Bezirk, Buchschmiede Verlag, 11, 90 Euro
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