Für viele Wiener gibt es nur eine einzige (finanzielle) Sache die erstrebenswerter klingt als ein Lottogewinn: nämlich das Erben eines Zinshauses. Kein Wunder, derzeit wird kein Wiener Gründerzeit-Zinshaus in einem durchschnittlichen Zustand unter 1.800 Euro pro Quadratmeter verkauft, heißt es im aktuellen Otto-Zinshausmarktbericht.
Für eine ist der Traum vom Zinshaus in den 80ern in Erfüllung gegangen: Für Trude Frank, Eigentümerin eines Hauses in der Annagasse. Dieser Traum glich aber streckenweise eher dem Inbegriff eines Albtraums.
„Nach der anfänglichen Freude habe ich gedacht, ich gehe daran zugrunde“, erzählt Frank. Selbst war sie damals frisch geschieden, hatte eine kleine Tochter und kein Geld für eine eigene Wohnung – sie musste wieder bei ihrer Mutter einziehen.
Keine eigene Wohnung
Reparaturen, die im teils baufälligen Zinshaus anstanden, trieben sie fast gänzlich in den Ruin. Eine Zinshaus-Erbschaft würde immer für Herausforderungen sorgen, heißt es etwa beim Immobilienentwickler VRG. Schließlich müsse sich der neue Eigentümer mit den zu erfüllenden Pflichten auseinandersetzen: also Vermietung, Verwaltung und Instandhaltung.
Die Ursprünge von Franks Haus reichen aber sogar ins Mittelalter zurück – und durch den Keller weht ein Hauch von Geschichte. Von dort kam man übrigens früher direkt unterirdisch zum Stephansdom. Weil das für Diebe den Zugang zu den Häusern erleichterte, wurden diese Gänge aber längst versiegelt.
Im ursprünglichen Haus dürften jedenfalls laut Gutachten hauptsächlich Winzer gewohnt haben. Der aufsehenerregendste Eigentümer war von 1845 bis 1852 Serben-Fürst Miloš Obrenovic, der damals nach Wien ins Exil fliehen musst. Hier ließ er unter anderem auch Johann Strauß die Serben-Quadrille komponieren.
Auch Frank musste sich erst an ihre neue Rolle gewöhnen. Ein Mieter ist ausgezogen und hat die Wohnung einfach an einen Kollegen weitergegeben. „Ich habe mich einfach nicht getraut, zu sagen, dass ich sie haben will.“ Stattdessen lebte sie weiter auf dem Diwan ihrer Mutter. Sie komme aus einer Zeit, in der Frauen die Unselbstständigkeit anerzogen wurde „Du musst keinen Beruf haben, du musst nur heiraten“. Das habe ihr ihre Mutter gesagt.
Diese Zeiten liegen längst hinter ihr. Mittlerweile lebt Frank im Dachgeschoß ihres Zinshauses, ist promovierte Psychologin und konnte jedes Problem rund um ihr Haus lösen – und davon gab es einige.
Negativer Höhepunkt war wohl im Jahr 2004. In einem eingemieteten Bierbeisl wurde Feuer gelegt, die anschließende Explosion, nachdem sich die Therme entzündet hatte, trieb um 4.30 Uhr in der Früh alle Bewohner auf die Straße.
„Glasscherben, Teile von Fenstern und Türen, zerborstene Reklametafeln, zerstörte Schaufenster, ein ausgebranntes Lokal. Die Annagasse in der Wiener Innenstadt glich Freitag Früh einem Trümmerfeld“, schrieb der KURIER nach besagter Nacht. Zwei Wochen lang durften die Bewohner ihre Wohnungen gar nicht betreten, erst ein Jahr später wieder einziehen.
Ganz geklärt wurde der Fall nie. Der Brandstifter selbst erlag seinen Verletzungen. Vermutet wurde Versicherungsbetrug, erzählt Frank, von Schulden und sogar Schutzgeld-Erpressungen war die Rede. Beweise gab es allerdings keine.
Ein Gutes hatte die Sache: „Das Bundesdenkmalamt hat endlich erlaubt, dass wir einen Aufzug einbauen“, sagt Frank. Das turbulente Auf und Ab hat ihre Liebe zum Haus aber nie geschmälert. „Es ist mein Baby“, sagt sie.
Ursprünge im Mittelalter
Mit ein Grund, warum sie ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, um mehr über die Historie zu erfahren. Die klassischen Wiener Zinshäuser entstanden in der Zeit von 1848 bis 1918 .
„Er soll unnahbar und irrsinnig reich gewesen sein“, sagt Frank. Und etwas eigen, so war er immer nur im gleichen schwarzen Gehrock zu sehen. Obrenovic war es jedenfalls, der den Ausbau des Hauses in seiner jetzigen Form massiv vorantrieb. Das zuerst ebenerdige Gebäude bekam drei zusätzliche Stöcke. Nach der Rückkehr des Fürsten in seine Heimat, fiel das Haus an die Familie Franks.
Verkaufen war für sie trotz aller Widrigkeiten nie eine Option. Sie wollte das Haus unbedingt für ihre Tochter erhalten. Und die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. „Jetzt sitze ich hier wie eine Made im Speck.“
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