Sie ist eine kleine, beschauliche Straße, die Weihburggasse in der Innenstadt – mit Lokalen wie „Rinderwahn“ oder „Zum weißen Rauchfangkehrer“. Mittendrin befindet sich auch das traditionsreiche Kalligraphie- und Geschenkgeschäft „Huber und Lerner“.
Neuerding sei es aber gar nicht mehr so beschaulich in der Gasse, zumindest an den Demo-Tagen, sagt Geschäftsführerin Pia Huber-Pock. „Es herrscht Hubschrauberlärm, als würde dieser direkt durch das Zimmer fliegen“, sagt sie. Kundgebungen seien schon seit vielen Jahren ein Problem in der Inneren Stadt, neuerdings würden die Demonstranten aber vermehrt nicht mehr nur über den Ring, sondern durch den ganzen Bezirk marschieren – und damit auch in die kleinen Gassen.
Stein des Anstoßes sind die nicht immer friedlichen Impfgegner-Demos, die seit Monaten jeden Samstag (und manchmal auch an anderen Tagen) durch die City ziehen. Sie schrecken die Kunden ab. Kommen an einem normalen Samstag, an dem „Huber und Lerner“ vier Stunden lang offen hat, rund 30 Kunden ins Geschäft, sind es derzeit nur drei: „Viele haben Angst.“
„Lebenswichtige Medikamente können nicht geliefert werden, weil die Zufahrt versperrt wird“
von Renate Baldia
Internationale Apotheke
Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) forderte im KURIER daher bereits in der Vorwoche gemeinsam mit dem Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer einen strikteren Kurs in Sachen Demos. „Nicht jede Versammlung muss immer zu jeder Uhrzeit an jedem Ort zugelassen werden“, so Mahrer. „Vor allem nicht, wenn andere Grundrechte beeinträchtigt werden.“
Angst vor dem Heiwmeg
Bei den Unternehmern im Bezirk rennen sie mit dieser Forderung offene Türen ein. Bei Renate Baldia etwa, die die „Internationale Apotheke“ am Ring betreibt. Rauchbomben seien direkt vor ihrem Geschäft gezündet worden, ihre Mitarbeiterinnen – fast alles Frauen – hätten Angst, nach Dienstschluss nach Hause zu fahren, sagt Baldia. Sie gehen nun immer zu zweit und trennen sich erst in einem Bezirk, in dem sie sich sicher fühlen. Außerdem könnten Zulieferer nicht mehr zufahren. „Dadurch konnte etwa wegen der letzten Demo ein lebenswichtiges Medikament nicht geliefert werden“, so Baldia.
„Für ein Demo-Verbot muss eine konkrete Gefahr im Raum stehen, bloße Befürchtungen reichen nicht“
von Kerstin Holzinger
Rechtsanwältin
Offener Brief
Mehrere Innenstadt-Kaufleute haben sich nun zusammengetan – und warnen in einem offenen Brief vor einem Geschäftesterben. „Die Innere Stadt hat immer schon unter Demos gelitten, aber so schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagt Brief-Initiatorin Marie Béatrice Fröhlich vom Sportbekleidungsgeschäft „Paul& Shark“ am Graben.
Der Schaden lässt sich beziffern: An einem „durchschnittlichen“ Demotag hatte sie früher rund 30 Prozent Umsatzentgang zu beklagen, mittlerweile sind es 90 Prozent. Der Grund sei die steigende Aggression. „Es traut sich ja niemand mehr her.“
Man habe Verständnis für die Anliegen der Innenstadt-Bewohner und -Geschäftsleute, heißt es auf KURIER-Anfrage im Büro von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Man habe selbst schon vor Jahren Vorschläge unterbreitet – etwa jenen, dass Demos nicht unbedingt an einem Einkaufssamstag in einer Einkaufsstraße stattfinden müssten. Letztlich liege es aber an der Polizei, die entsprechenden Schritte zu setzen.
Bei der Landespolizeidirektion Wien wiederum heißt es, dass ein generelles Demoverbot an gewissen Orten oder zu gewissen Zeiten nicht möglich sei. Das Versammlungsgesetz ermöglicht nur die generelle Untersagung einer Kundgebung – immer nach einer Einzelfallprüfung.
Untersagt werden dürfen Demos unter anderem dann, wenn ihr Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft – oder wenn die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet sind. „Es muss dabei eine konkrete Gefahr im Raum stehen, bloße Prognosen oder Befürchtungen reichen nicht“, sagt dazu die Wiener Rechtsanwältin Kerstin Holzinger.
Wenn andere berechtigte Interessen – etwa jene von Unternehmern – gegen eine Demo sprechen, müsse man mit den Veranstaltern das Gespräch suchen. Manchmal gelingt eine Einigung, so geschehen am Einkaufswochenende vor Weihnachten. Mittlerweile sind die Fronten verhärtet. Das Einkaufen in der Innenstadt dürfte also noch länger von Hubschrauberlärm begleitet werden.
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