Kurz zu Demos in Favoriten: "Türkei versucht Unfrieden zu säen"

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Bundeskanzler ortet „Missbrauch der Menschen mit türkischen Wurzeln“. Bürgermeister Ludwig ist für Abschiebung "in letzter Konsequenz". Innenminister Nehammer sieht Türkei gefordert.

Die Demo-Unruhen in Wien-Favoriten bleiben weiter ein Politikum. Ab Dienstag haben sich sowohl der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) als auch Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) erneut zu den Vorfällen geäußert. 

Nach Krawall-Demos: Kurz warnt die Türkei

Ludwig (SPÖ) ist „in letzter Konsequenz“ für die Abschiebung jener Randalierer, die in der Vorwoche bei Kurden-Kundgebungen in Favoriten für Unruhen gesorgt haben, wie er in einem am Dienstag in der Tageszeitung „Österreich“ veröffentlichten Interview sagte. Die Veranstaltungen wurden von türkischen Ultranationalisten angegriffen.

In dem Interview betonte er, dass Krawalle „aufs Schärfste“ abzulehnen seien. „Eine radikale Minderheit darf das friedliche Zusammenleben nicht gefährden. Das hat keinen Platz in Wien.“
Auf die Frage, ob die Randalierer abgeschoben werden sollen, antwortete er: „Die Polizei soll konsequent vorgehen. Waren das testosterongesteuerte Jugendliche, oder gibt es da einen politisch motivierten, gewalttätigen Hintergrund?“

Auf Nachfrage zu einer möglichen Abschiebung wurde er konkret: „Ich war der erste Politiker, der sich dafür einsetzte, dass einem IS-Kämpfer die Staatsbürgerschaft aberkannt wird - auch wenn das später vom Gericht leider aufgehoben wurde. Also, in letzter Konsequenz: Ja.“

Ludwig zu Hebein-Teilnahme: "Würde persönlich Abstand nehmen“

In der Vorwoche waren an mehreren Tagen Kurden-Kundgebungen in Wien-Favoriten von türkischen Ultranationalisten angegriffen worden. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und linken Demonstranten einerseits und türkischen Ultranationalisten - darunter Anhängern der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ - andererseits. Mehrere Polizisten wurden verletzt.

Auch Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) ist vergangene Woche bei einer der Kurden-Demos in der Menge gesichtet worden. Darauf angesprochen, meinte Ludwig: „Von einer Teilnahme an so einer Demo würde ich persönlich Abstand nehmen.“ Aber er betonte auch: „Es ist ihr Grundrecht. Das muss jeder Politiker für sich entscheiden.“

Kurz: "Importierte Konflikte"

Dass die Stimmung zwischen Österreich und der Türkei nach den Ausschreitungen bei Demonstrationen in Wien-Favoriten weiter angespannt ist, spiegelt sich auch in den Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wider. 

Am gestrigen Montag musste der türkische Botschafter im Wiener Außenministerium erscheinen. Man habe den Botschafter einbestellt, um klar zu machen, „dass es ein Ende haben muss, dass die Türkei versucht, auf die Menschen hier in Österreich Einfluss zu nehmen und diese auch für ihre Konflikte instrumentalisiert“, erklärte Kurz am Dienstag vor Journalisten. Dass die Türkei davon spreche, dass es Polizeigewalt gegen Austro-Türken gegeben habe, findet Kurz „unerträglich“, er könne dies nur „auf das Schärfste zurückweisen“.

Mit deeskalierenden Worten aus der Türkei rechnet Kurz nicht: „Ich erwarte mir nicht sonderlich viel Unterstützung aus der Türkei“, meinte er auf eine entsprechende Journalistenfrage. „Weil ich genau weiß, was die Türkei hier versucht: Nämlich Türken in Europa dafür zu nutzen, um Unfrieden zu säen und da und dort vor allem für die eigenen Interessen der Türkei Stimmung zu machen.“ Aus seiner Sicht sei dies ein „Missbrauch der Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Europa leben“.

Es empöre ihn, was hier mitten in Wien stattgefunden habe, betonte Kurz. „Menschen, die in Favoriten wohnen, wird ihre Heimat geraubt“, griff der Kanzler zu drastischen Worten. „Diese Konflikte, die werden aus der Türkei importiert“, kritisierte Kurz. „Wer ein Bedürfnis nach Straßenauseinandersetzungen hat, der soll das in der Türkei tun, aber in Österreich hat das keinen Platz.“

Diplomatische Spannungen

Er habe den Innenminister gebeten, hier eine „Politik der Nulltoleranz“ zu verfolgen, sagte Kurz. Es gab elf Festnahmen, darunter ein mutmaßlicher Rädelsführer. Nun gelte es zu prüfen, „welche Kontakte und Stränge es hier zur Türkei und zu diversen türkischen Vereinen in Österreich gibt - und diese Verbindungen, die gilt es zu kappen“.

In den diplomatischen Spannungen zwischen Österreich und der Türkei wegen der Ausschreitungen bei Demonstrationen in Wien-Favoriten sieht Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nun Ankara am Zug: „Es liegt auch ein Stück weit an der Türkei, den Weg der Deeskalation zu beschreiten“, sagte Nehammer am Dienstag nach dem Ministerrat.

„Die Republik Österreich lässt es sich unter keinen Umständen gefallen, wenn in irgendeiner Weise versucht wird, Einfluss zu nehmen auf die österreichische Politik von außen“, betonte Nehammer. Man werde sich gegen jede Form der „Destabilisierung“ und „Instrumentalisierung“ von Vereinen wehren. Vorwürfen von türkischer Seite konterte er abermals, dass die Behörden in Österreich gegen alle verbotenen Symbole - auch jene der PKK - mit dem selben Maß vorgehen würden.

„Diese Form des Konflikts hat auf österreichischem Boden nichts zu suchen“, mahnte Nehammer einmal mehr. Man werde jeden Straftäter konsequent verfolgen. „Diejenigen, die glauben, dass ein Mund-Nasen-Schutz sie vor einer Identifikation bewahrt, die irren sich.“ Man verfüge über ausgezeichnetes Videomaterial, das gerade ausgewertet werde. So sei einer der mutmaßlichen Rädelsführer bereits identifiziert, nun würden die Hintergründe untersucht. Unter den Festgenommenen seien auch zwei türkische Staatsbürger, die unter anderem faustgroße Pflastersteine geworfen haben sollen - auch hier werde ermittelt.

Die Bundesregierung und die Polizei würden nicht zulassen, dass Randalierer und Rädelsführer das Versammlungsrecht gefährden oder Einfluss hätten, dass sich Menschen in ihrer Heimat Favoriten nicht mehr sicher fühlten, meinte Nehammer. Egal, um welche ethnische Gruppe oder politischen Verein es sich handle, alles, was in Österreich passiere, habe sich nach der Verfassung zu richten, sprach sich der Minister gegen jegliche Gewaltausübung aus.

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