Debatte über Markthalle: Alle unter einem Dach am Meiselmarkt
Wo einst das Wasser für den 1. Bezirk gespeichert war, richten jetzt frühmorgens um 6 Uhr die Standler ihre Ware her. Dort befindet sich jetzt der Meiselmarkt – ein Markt, der anders ist als alle anderen Wiener Märkte.
Der Meiselmarkt in Rudolfsheim-Fünfhaus ist weder Fisch noch Fleisch – auch wenn hauptsächlich Fleisch verkauft wird. Er wirkt wie eine Shoppingmall und wie ein Labyrinth zugleich. Der Meiselmarkt ist der einzige Markt in Wien mit einem Dach über dem Kopf – und erinnert damit an ein Projekt, das derzeit in aller Munde ist.
Wie berichtet, will die neue Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) auf dem Naschmarkt-Parkplatz eine überdachte, an den Seiten offene Markthalle bauen. Das Unterfangen polarisiert, Widerstand dagegen kommt allen voran von den Grünen (siehe unten und siehe Infokasten).
Wie aber geht es dem einzigem Markt, dessen Unterbringung der angedachten Markthalle zumindest ähnelt? Wie geht es den Standlern? Läuft das Geschäft?
Früher draußen, heute drinnen
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich der Markt nahe der Meiselstraße - an der Oberfläche. Später wurde er unter die Erde verlegt.
Symbol des Marktes
Die Alte Schieberkammer des ehemaligen Wasserbehälters Schmelz, ist heute Symbol des Marktes und denkmalgeschützt. In der Alten Schieberkammer waren die Sperrorgane (Schieber) und Rohre für das Füllen, den Betrieb und das Entleeren des Wasser-Behälters untergebracht. Den Saal dahinter kann man mieten.
Der Bauernmarkt
Freitags und samstags gibt es vor der Meiselmarkt-Halle draußen, zusätzlich einen Bauernmarkt
Marktbesucher Eduard Englisch
Der 80-jährige Eduard Englisch kauft nur an frischer Luft ein: „Für mich ist das da drinnen kein Markt mehr“, sagt er.
Krezgewölbe
Die Räumlichkeiten des heutigen Meiselmarktes speicherten früher das Trinkwasser für den 1. Bezirk und die inneren Bezirke Wiens. Das Kreuzgewölbe im Meiselmarkt zeigt die damals typische Bauweise der Wasserkammern.
Kutteln
In den bis zum Rand gefüllten Glasvitrinen liest und findet man neben Schwafel (Schwanz), Gedel (Hals), Stelzen und Ohren, Füße, Kopf und Kutteln.
Kuttel-Suppe
"Daraus macht man eine gute Suppe", sagt der Standler.
Multi-Kulti
Es gibt auch bekanntes wie Speck, Karree, Bauchfleisch oder ein ganzes Huhn um nur 2 Euro.
Multi-Kulti
Der Markt vereint verschieden Nationen: Manche Stände haben ihre Ware in anderen Sprachen angeschrieben.
Aus allen Ecken
Sobald die Standler fertig aufgebaut haben, kommen die Besucher aus allen Ecken. Manche fahren mit dem Lift von einem der oberen Stockwerke – dort befinden sich ein Eurospar und ein McDonalds – direkt in den Marktbereich. Andere Besucher fahren mit der Rolltreppe direkt von der U3-Station Johnstraße herauf. Wieder andere kommen seitwärts von draußen herein.
Wegen Corona sind nicht alle Zugänge offen – aber noch immer genug, um sich zu verirren. 320 Menschen seien derzeit am Areal erlaubt.
Der Markt befindet sich ein Geschoß unter dem Straßenniveau der Hütteldorfer Straße – darüber befinden sich der Elektromarkt Conrad, Büros, ein Wohnkomplex. Das Marktamt nennt es ein „architektonisches Meisterwerk“. Fauxpas trifft es vielleicht eher.
Innerhalb kürzester Zeit wirkt der Markt jedenfalls überfüllt – und das zu so früher Stunde. Aus Standler-Sicht ein gutes Zeichen.
Freitags und samstags gibt es draußen, vor dem Gebäude, zusätzlich einen Bauernmarkt. Der 80-jährige Eduard Englisch kauft hier Rhabarber für einen Strudel und Blumen für seine Töchter. „Für mich ist das da drinnen kein Markt mehr“, sagt er. „Ich gehe nicht mehr in die Halle, auch wenn es regnet bevorzuge ich den Platz draußen.“ Er weiß, dass sich der Markt ursprünglich an der Oberfläche befand.
Bereits im Jahr 1913 wurden an der Meiselstraße an rund 150 Ständen Lebensmittel angeboten. 1992 wurde die Fläche an die Wiener Städtische Versicherung verkauft. Der Markt zog daraufhin in den ehemaligen Wasserspeicher für die Hochquellleitung. Die Pfeiler und Rundbögen des Wasserbehälters blieben erhalten, der Rest wurde zur Markthalle umgebaut.
Eröffnung 1995
1994 wurde dann die U3-Station Johnstraße in Betrieb genommen. Knapp ein Jahr später, am 3. im April 1995, eröffnete der neue Meiselmarkt. Dem fehle aber das Flair und die frische Luft, sagt Marktbesucher Englisch.
In den Arkaden merkt man: Der Meiselmarkt ist kein romantischer Markt, aber ein lebendiger. Folgt man den bohrartigen Geräuschen, kann man etwa beobachten, wie frisches Faschiertes im Riesen-Fleischwolf zubereitet wird. Am Stand gegenüber hängen Schweine-Hälften.
Spanferkel zu Ostern
Mitten am Gang stehen Spanferkel, die für die orthodoxen Osterfeierlichkeiten bestellt wurden. In den bis zum Rand gefüllten Glasvitrinen liest und sieht man Schwafel (Schwanz), Gedel (Hals), Stelzen und Ohren, Füße, Kopf und Knochen. Es gibt auch bekanntes wie Speck, Karree, Bauchfleisch oder ein ganzes Huhn um nur 2 Euro.
„Am besten verkaufe ich Faschiertes“, sagt der 20-jährige Ekin Dogan. Er sei froh, dass der Markt überdacht ist. Kein Regen und kein Schnee kommen ihm in die Quere. „Wir sind ein Multikulti-Markt“, sagt er. Kulturen vermischen sich hier: Alle seien unter einem Dach, so wie das in Wien eben sei. Bei Dogan wird alles auch halal – also nach muslimischen Regeln – zubereitet. Gleich gegenüber gibt es Schweinefleisch.
Marktbesucher Dan Stevica rollt mit seinem Einkaufswagerl und 150 Eiern daran vorbei. Er schätze die Garage des Marktes sehr. Geschlossene Hallen, die kenne er vom Balkan.
Dass der Markt gefällt, beweisen die Zahlen: 2019 war er auf Platz 4 der meistbesuchten Märkte – und folgte mit 35.105 Besuchern pro Woche auf den Brunnenmarkt, den Rochusmarkt und den Naschmarkt.
Vielleicht bräuchte der Markt nur ein wenig frische Luft – ein neues Konzept – dann könnte er auch Herrn Englisch überzeugen.
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