Das Ende des Wiener Corona-Sonderwegs
Längst schon ist sie zu einem Symbol des Wiener Sonderwegs in der Pandemie-Bekämpfung geworden. Doch nach exakt 1.051 Tagen endet am 28. Februar nunmehr auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Bundeshauptstadt die Maskenpflicht. Das gab Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Mittwoch nach einem Treffen mit seinem Expertengremium bekannt.
In den anderen Bundesländern gibt es bereits seit Juni des Vorjahres keine Öffi-Maskenpflicht mehr.
Mit dem Auslaufen der entsprechenden Verordnung enden Ende Februar weitere nur noch in Wien geltenden Regelungen: Die Maskenpflicht in Apotheken, die PCR-Testpflicht für Besucher von Spitälern und Pflegeheimen sowie die Besucher-Grenze von drei Personen in diesen Einrichtungen.
Maske im Spital bleibt noch
Sehr wohl müssen in Spitälern, Pflegeheimen und Ordinationen bis zum 30. April noch Masken getragen werden. Doch damit befindet sich Wien im Einklang mit den Regeln, die der Bund vorgibt. Auch Impfungen und Covid-Medikamente werden weiterhin kostenlos abgegeben.
„Die Modellrechnungen gehen zwar von steigenden Fallzahlen mit einem Höhepunkt Mitte Februar aus“, sagt Ludwig. „Wie die letzte Welle im Vorjahr wird sie sicher fordernd sein, es besteht aber keine Gefahr, dass sie zu einer Überschreitung der Spitalskapazitäten führen wird.“
An sich sind die Infektionszahlen derzeit nicht niedriger als zu Jahresende. Aufgrund der zusätzlichen Belastung durch eine Influenza- und RSV-Welle sei es laut Ludwig damals aber sinnvoll gewesen, die Maßnahmen noch beizubehalten.
Es sei aber nötig, das Geschehen weiter im Auge zu behalten, etwa durch Abwasser-Analysen, sagt Michael Binder, medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes.
„Es war mir immer wichtig, auf der sicheren Seite zu sein“, zieht Ludwig Bilanz über den viel diskutierten strengeren Kurs, den Wien ab dem Frühjahr 2021 eingeschlagen hat.
Kehrtwende
Es handelte sich um eine bemerkenswerte Kehrtwende, denn davor war die Rollenverteilung genau umgekehrt: Auf der einen Seite der Bund, der mit harten Lockdowns die Pandemie in den Griff bekommen wollte. Auf der anderen Seite die Wiener Stadtregierung, – allen voran Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) – die auf rasche Lockerungen (etwa in der Gastronomie) pochten. Denn schließlich sei es der Großstadt-Bevölkerung in ihren vergleichsweise beengten Lebensverhältnissen nicht zumutbar, dauerhaft massiven Beschränkungen unterworfen zu sein.
Rollenwechsel
Bemerkenswerterweise verwies die Stadtregierung auch auf die Großstadt-Gegebenheiten (viele Menschen auf engem Raum), als es darum ging, den plötzlich strengeren Wiener Kurs zu rechtfertigen. Er setzte Anfang April 2021 mit einem etwas beschönigend als „Osterruhe“ bezeichneten Lockdown ein, der zunächst noch von NÖ und dem Burgenland mitgetragen wurde.
Während die beiden andern Bundesländer bald wieder die Maßnahmen auf das Niveau Restösterreichs zurückschraubten, blieb Wien bis zuletzt – trotz diverser Lockerungen – immer strenger als es die Vorgaben des Bundes verlangten. Was immer wieder zu politischen Kontroversen führte.
Ludwig betont, dass seine Maßnahmen stets wissenschaftlich begründet gewesen und deshalb von der Bevölkerung mitgetragen worden seien. Zumindest letzteres lässt sich phasenweise durch Umfragen belegen.
Zuletzt kam aber auch von namhaften Medizinern immer mehr Kritik am Wiener Sonderweg. Die verbliebene Öffi-Maskenpflicht könne als Einzelmaßnahme Infektionen nur begrenzt verhindern, so der Tenor.
Während Ludwig sich in früheren Monaten noch als konsequenter Pandemie-Manager präsentieren konnte (als Gegenpol zur schlingernden Bundesregierung), hätte er nun eine Fortführung der Maßnahmen nur mehr schwer begründen können. Auch der pinke Koalitionspartner hatte zuletzt kein Verständnis für die Öffi-Maskenpflicht mehr.
Doch hat der Wiener Sonderweg die Stadt besser durch die Pandemie gebracht? Anhand der Infektions- und Belagszahlen in den Spitälern ergibt sich kein klares Bild. Die vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen während der Delta-Welle 2021, ist Ludwig überzeugt, hätten gezeigt, dass der Wiener Weg richtig war.
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