„Da Hofa“ woar’s scho wieder net: Joesi Prokopetz mit neuem Kriminalroman

Prokopetz (oben) & Chmelar spielen „Da Hofa“ (1971) nach: Tatort Wien-Ottakring, vorm Zwanzgerhaus der Speckbachergasse, wo man den Roman-Hofa mit zerschnitt’nem G’sicht tot auffindet.
Austropop-Mitbegründer Prokopetz legt einen„fiktiv-autobiografischen“ Kriminalroman über das Wien der 1970er vor, als auch das blutigste Verbrechen noch eine unverwechselbare Aura verströmte.

Wer sich an die 70er-Jahre erinnert, hat damals nur zu wenig „geraucht“. Ein Vorwurf, den man Joesi Prokopetz (71) nicht nachwerfen kann. Der Urwiener „Autor mit eigenem Vortrag“ (an die 20 Kabarettprogramme), Ex-Popstar (mit „DÖF“), Songwriter („Es lebe der Zentralfriedhof“) und Werbetexter („Lustig samma, Puntigamer“) lichtet nun die Nebelschwaden der „lustigen Zigaretten“ vor gut einem halben Jahrhundert.

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In seinem zweiten, „fiktiv-autobiografischen“ Kriminalroman „Hofer“, einem dunkelgrauen (Un-)Sittenbild, beschreibt der gebürtige Ottakringer aus gutbürgerlichem Haus, wie die Jugend von damals „relativ unpolitisch aufbegehrte“. Als Gammler, dem ungepflegten Gegenentwurf zum Nachkriegsspießer, dem auch 25 Jahre nach Ende des Naziterrors noch die braunen Eierschalen am Hintern pickten.

„Da Hofa“ woar’s scho wieder net: Joesi Prokopetz mit neuem Kriminalroman

Joesi Prokopetz:
„Hofer, ein 70er-Jahre-Krimi“
edition a.
256 Seiten,
21 Euro.

Prokopetz, der seinerzeit selbst „langhaarig, leistungsfeindlich, aber nicht einmal links“ zwischen den Epizentren des Zeittotschlags mittels stimmungsaufhellender Substanzen „oszillierte“, entsinnt sich mit Schaudern ans „postfaschistische, erzkatholische und extrem körperfeindliche Law-and-Order-Denken“ jener Epoche: „Die meisten Leute wollten uns am liebsten in Arbeitshäuser sperren.“

Einfall aus dem Nichts

Zwischen „Voom Voom“ und „Camera“, zwischen Wuchteln im „Hawelka“ und Haschisch im „Savoy“, zwischen „Vanilla“ und Theseustempel – dort verliefen die Routen der Revoluzzer. Das kurze Gastspiel an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt ist im Fall von Joesi und seinem ebenso skeptischen Studienkollegen Woiferl Ambros graphisch zu verstehen: Bei all den Versuchen, sie etwas zu lehren, machten sie keinerlei Anstalten.

Joesi Prokopetz und Dieter Chmelar

Der Autor mit seinem Roman.

Prokopetz: „Unsere Helden waren Zappa, Hendrix, Ginger Baker. Damals musste man als junger Bursch Gitarre spielen können, sonst durfte man am Skikurs nicht einmal vorbeihuschen am Mädchenzimmer. Ich bin schnell draufgekommen, dass ich kein Talent dafür hatte. Also dichtete ich.“ Stets begleitet vom „Menü“ (1 kleiner Brauner, 1 Zigarette und Cannabis um 100 Schilling) unter der Hand des „Herrn Theo“, Ober im „Café Savoy“. Ambros zupfte an den Saiten, während ihm Prokopetz mit hochdeutscher Lyrik „voll spätpubertärem Pathos“ auf den Versen blieb.

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„Völlig aus dem Nichts“, nämlich beim Gelegenheitsjob für einen Bodenverleger, kam Joesi der Einfall zum „Hofa“ – „beim öden Spachteln, innerhalb einer Dreiviertelstunde hab’ ich das hingefetzt. Erst ein paar Wochen später trug ich es Ambros vor. Der wollte an sich mit englischen Texten Karriere machen, aber er biss an, weil er eine fertige Melodie dazu hatte. Nichts passierte mit Kalkül, dafür alles aus dem Bauch heraus.“

„Da Hofa“ woar’s scho wieder net: Joesi Prokopetz mit neuem Kriminalroman

Der Text flog Prokopetz in 45 Minuten beim Bodenlegen zu, sein „Studienkollege“ Ambros hatte bereits die Melodie. 

Sie marschierten mit dem Demoband zur großen „EMI Columbia“, wurden aber milde lächelnd abgewiesen: „Kein Refrain, funktioniert nie.“ Die Single erschien gnadenhalber auf dem von „Amadeo“ rasch ersonnenen Avantgarde-Label „Atom“ und wurde ...

... der „erste Schrei“ des neugeborenen Austropop, der 1971 und lange danach „Dialektwelle“ hieß. Im Geiste von Qualtinger, Bronner, Artmann, Pirron & Knapp, wie Prokopetz gesteht: „Wir waren das Blatt, nicht der Wind.“

Tiefe Blicke in die Seele

Das Lied, dessen Text vermutlich mehr Söhne und Töchter dieses Landes beherrschen als die Bundeshymne, bescherte Ambros und Prokopetz sofort Berühmtheit „und erstmals a Göd“, aber keinesfalls das Gefühl, „einen Meilenstein gesetzt zu haben“.

„Schau, da liegt a Leich im Rinnsal,

’s Bluat rinnt in Kanäu.

Hearst, des is makaber,

da liegt jo a Kadaver“

von „Da Hofa“

Hit aus dem Jahr 1971

Nach Eintrudeln der Tantiemen aus dem Megaseller schmiss Joesi seinem Vater Banknotenbündel auf den Tisch. Der blieb ungerührt: „Du und dei’ deppater Hofa! Deine Freund’ wern da mitn Mercedes übern Schädel fahrn und du wirst mitn Huat in der Hand am Trottoir sitzen.“ Weit gefehlt! Prokopetz arbeitete seither nur noch bohemienhaft quasi „à la carte“.

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Einem Agenturchef, der ihn zu pünktlicherem und häufigerem Erscheinen im Büro ermunterte, fragte er: „Warum soll i da sitzen? Zahlen S’ mein’ Oasch oder mei’ Hirn?“ Sein tiefer Blick in die speziell wienerische Seele sorgte gern für radiologischen Ausschlag.

Unbehindert von Ethos

In Prokopetz’ Krimi, soviel sei gespoilert, erfährt man leider fix wieder nicht, wer da Hofa war oder wer ihn umgebracht hat, ja nicht einmal seine wahre Identität in dem feingesponnenen Spionagenetz mit dem indiskreten Charme der Peripherie.

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Launig, lakonisch, lapidar erzählt der Autor vom Schuldzuweisungsreflex, von Vor- und Fehlurteilen, alles vor dem – zeitlosen – Hintergrund einer Ära, in der auch blutigste Untaten noch eine unverwechselbare Aura verströmten und Ermittler, unbehindert von Etikette, Ethos oder gar Empathie, dicht im Dunkel dilettierten – denn: „Da Hofa“ woar’s scho wieder net.

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