Direktorin Barbara Staudinger und Sporthistorikerin Agnes Meisinger rücken dabei Fans in den Fokus. Sie singen (wie im Fall von Ajax Amsterdam) „Wir sind die Superjuden“, obwohl sie zu 90 Prozent nicht einmal wissen, wo Israel liegt“, wie der niederländisch-jüdische Journalist Hans Knoop im Spiegel vermutete.
Tätowierter Davidstern
Knoop betreut seit vielen Jahren die Stiftung, die sich von der Eredivisie abwärts gegen Antisemitismus auf den Rängen einsetzt. Amsterdam galt mit 80.000 jüdischen Einwohnern vor dem Zweiten Weltkrieg als „Jerusalem des Westens“. Nicht wenige Ajax-Anhänger haben den Davidstern eintätowiert. Fans des Rivalen Feyenoord Rotterdam grölen gern Sprechchöre wie „Hamas! Hamas! Juden ins Gas!“
Auch Tottenham Hotspur kennt antisemitische Angriffe und Ausschreitungen: Londoner Schlachtenbummler wurden in Rom vor einem Europa-League-Spiel von faschistischen Lazio-Rowdys verprügelt. Aber die Heißsporne reagieren traditionell mit Stolz gegen Vorurteil und treten als „Yid Army“ auf, etwa gegen Zischgeräusche der Gäste, die so Gaskammern nachahmen.
Warum Tottenham ein Judenklub sein soll, liegt ebenso im Diffusen wie beim FC Bayern. Aktuell ist jedenfalls mit Daniel Levy ein britisch-jüdischer Unternehmer Chairman. Am Dienstag hat er den israelischen Teamspieler Manor Solomon engagiert. Die Münchener wiederum hatten in Kurt Landauer bis 1933 einen jüdischen Präsidenten, dem 1938 aus dem KZ Dachau die Emigration in die Schweiz glückte und der 1947 auf seinen Posten heimkehrte.
Der Altösterreicher Bela Guttmann konnte in Budapest untertauchen, der geniale Wunderteam-Chef (12 Siege 1931–’33 u. a. gegen Deutschland, Ungarn, Italien und Frankreich), Hugo Meisl, verstarb 1937, ehe Hitlers Häscher seiner habhaft wurden.
Plötzlicher Respekt
Ein Vienna-Fanklub nennt sich (geschichtsbewusst?) „Partisan Rothschild“, es gibt Austria-Anhänger mit violetter Kippa. Die schönste Anekdote wusste aber Schriftsteller und Ex-Hakoah-Wasserball-Ass Friedrich Torberg: Der jüdische Sportklub (1925 erster Profi-Meister) traf im letzten Match der Saison, selbst in sicherer Tabellenmitte, auf abstiegsgefährdete Gegner. Nur ein Sieg konnte einen dritten, antisemitischen Klub vor dem Gang in den Keller retten. Daher riefen dessen angereiste, mitfiebernde Fans dem besten Hakoahner einmal nicht „Saujud“ zu, sondern zähneknirschend respektvoll: „Hoppauf, Herr Jud!“
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