Wien verschiebt geplante Operationen, Ärztekammer ist dagegen

Wien verschiebt geplante Operationen, Ärztekammer ist dagegen
In den kommenden Tagen soll damit begonnen werden, nicht akute Eingriffe zu verschieben, um das System zu entlasten.

Die Lage in Österreichs Spitälern spitzt sich zu. Nachdem Oberösterreich am Dienstag als erstes Bundesland bekannt gab, geplante Eingriffe zu verschieben, gibt es ähnliche Pläne in Wien. "In den nächsten Tagen" soll damit begonnen werden, elektive Eingriffe zu verschieben, wie Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal" sagte. Damit soll Platz für die Betreuung von Corona-Patienten geschaffen werden. Die Akutversorgung wird nicht zurückgeschraubt.

"Wir haben im Augenblick nicht ganz 80 Patienten mit Covid-19 in den Intensiveinheiten und werden in den nächsten Tagen beginnen, langsam elektive Eingriffe zurückzuschrauben, zurückzustellen, zu verschieben", führte Hacker aus. Bei elektiven Eingriffen handelt es sich um planbare Eingriffe - etwa um Knie-oder Hüftoperationen oder Eingriffe bei Grauem Star.

Privatspitäler unterstützen

Bereits jetzt wird ein Teil dieser Operationen im Rahmen einer Kooperation des Wiener Gesundheitsverbundes mit Privatspitälern und Ordensspitälern an Privatspitäler ausgelagert, wie ein Sprecher des Gesundheitsstadtrats der APA erklärte. Demnächst soll aber damit begonnen werden, die Zahl der Operationen tatsächlich zurückzufahren. In welchem Ausmaß, das konnte der Sprecher nicht sagen: "Das hängt von der Entwicklung der Infektionszahlen ab."

Wien verschiebt geplante Operationen, Ärztekammer ist dagegen

Stadtrat Peter Hacker

Der Wiener Gesundheitsverbund arbeitet mit den Ordensspitälern und den Privatspitälern zusammen, um die Versorgung von Coronavirus-Patienten zu sichern und gleichzeitig den Normalbetrieb so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dabei betreuen neben den städtischen Krankenhäusern auch die Ordensspitäler Covid-19-Patientinnen und -Patienten. Privatspitäler übernehmen elektive Eingriffe. Die Verschiebung von planbaren und nicht zeitkritischen Operationen soll erst bei sehr hohen Fallzahlen erfolgen, hieß es Anfang Oktober bei der Präsentation der Kooperation.

Noch nicht im kritischen Bereich

"Wir sind in der guten Lage, dass wir mit den Privatspitälern in Wien eine gute Kooperation eingegangen sind, die uns jetzt schon sehr viele Patienten abnehmen können zusätzlich zu den Patienten, die wir in den eigenen Spitälern betreuen, aber wie gesagt, in einigen Tagen werden wir beginnen umzuschalten. Dann sind wir aber noch lange nicht in der kritischen Größe. Die kritische Größe ist abhängig von der Entwicklung in den nächsten zwei Wochen", sagte Stadtrat Hacker im "Morgenjournal".

Stichwort kritische Größe: In Wien stehen laut dem Sprecher Hackers rund 1.000 Normalbetten für die Betreuung von Corona-Patientinnen und -Patienten zur Verfügung. Zusätzlich gibt es noch ein Kontingent von maximal 320 Intensivbetten.

Jedenfalls nicht zurückgeschraubt wird in den Spitälern die Akutversorgung. Es könne natürlich nicht sein, dass man bei ganz lebenswichtigen Behandlungen zurückschraube, "ob das die Onkologie ist, ob das Schlaganfallpatienten sind und anderes", betonte der Stadtrat.

Kein Verständnis in Ärztekammer

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) hält wenig von der Verschiebung nicht lebensnotwendiger Operationen. Manche Eingriffe verbesserten die Lebensqualität und würden Arbeitskräfte erhalten, argumentierte Vizepräsident Harald Mayer am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Was allerdings angesichts der Coronapandemie drohe, sei ein Personalproblem.

"Wir haben in Österreich ein sehr gutes Gesundheitssystem", bekräftigte Mayer, im Zusammenhang mit der Pandemie möglicherweise sogar das beste. Aber "Ich fürchte, wir bekommen zuerst ein Personalproblem, bevor wir ein Maschinenproblem bekommen." So könnten hoch spezialisierte Intensivmediziner früher fehlen, als etwa Beatmungsgeräte. Planoperationen stellten hingegen kein Problem dar. Bei manchen käme man in der Früh und gehe am Abend wieder nach Hause.

Gut ausgerüstet sieht Mayer die Ärztinnen und Ärzte auch mit Schutzausrüstung gegen eine Infektion. Diese könne zwar nie gut genug sein, "aber zur Zeit haben wir kein Problem" - was sich aber auch relativ schnell ändern könnte, betonte er. So habe man während der ersten Welle in Europa nicht fazu gelernt, etwa nicht alles in China zu kaufen. "Das kann uns auch am Kopf fallen", warnte der ÖÄK-Vizepräsident. Zur Zeit sei aber genug Schutzausrüstung da, betonte er.

Ausbildungszufriedenheit alarmierend

Ein Ressourcenproblem sieht die Ärztekammer aber auch unabhängig von der Coronapandemie, nämlich bei der Ausbildung. Eine unter Jungärzten und -ärztinnen durchgeführte Befragung hat ergeben, dass es vor allem in der Ausbildung erheblichen Nachholbedarf gibt. So zeigten sich zwar 38 Prozent mit dem Status Quo zufrieden oder sehr zufrieden, weitere 36 Prozent vergaben der Ärzteausbildung aber nur ein "Befriedigend". Ebenso viele Jungärzte wären sogar bereit, in ein anderes Land zu gehen, wäre die Ausbildung dort besser, berichteten Daniel von Langen und Christoph Steinacker von der Bundeskurie angestellte Ärzte.

Für Mayer ist dieses Ergebnis eindeutig zu wenig. Ein "Befriedigend" sei in diesem Fall nämlich als "eindeutiges Nicht genügend" zu werten. Ärzte müssten weder gute Sekretäre, Verwalter oder Krankenpfleger werden, sonder "sie müssen Ärzte werden". Das Umfrageergebnis ist für den ÖÄK-Vizepräsidenten auch ein "Alarmsignal allererster Ordnung" an die Politik. Diese müsse Ressourcen zur Verfügung stellen und realistische Personalpolitik schaffen, sollten gute Ärzte in Österreich ausgebildet werden.

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