Causa Wien Energie: Heftige Kritik des Rechnungshofs
Es war ein politisches Beben, das Ende August 2022 die Stadt Wien erschütterte.
Nachdem die städtische Wien Energie aufgrund der damaligen Verwerfungen auf den internationalen Strom- und Gasmärkten in massive Liquiditätsprobleme geraten war, musste die Stadt beim Bund vorsorglich um eine Finanzhilfe von bis zu zwei Milliarden Euro ansuchen, damit der Konzern seine Börsengeschäfte noch besichern konnte.
Bereits davor, im Juni 2022 und nochmals Ende August, hatte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) per Notkompetenz jeweils 700 Millionen Euro an Budgetmitteln freigegeben, um der Wien Energie zu helfen.
Die städtischen Gelder konnte der Konzern letztlich wieder zurückzahlen, weil sich die Marktlage wieder entspannte. Jene des Bundes wurden nie benötigt.
Zahlreiche Mängel
Nach einer U-Kommission des Gemeinderats hat auch der Rechnungshof die damaligen Vorgänge untersucht. In einem Rohbericht, der dem KURIER vorliegt, übt er scharfe Kritik an der Wien Energie und der Wiener Stadtregierung.
Hart ins Gericht gehen die Prüfer mit dem Liquiditätsrisikomanagement der Wien Energie. Es verfügte demnach über "systemische Schwächen" in der Risikobewertung, -begrenzung,-steuerung und -berichterstattung. "So wurde das Liquiditätsrisiko angesichts der hohen Preisvolatilität ungenügend bewertet und nicht begrenzt, obwohl dieses Risiko ab Herbst 2021 laufend anstieg und letztlich eine existenzbedrohende Dimension erreichte“.
Was erstaunt: Das Risikokomitee der Wien Energie, das die Geschäftsführung unterstützen soll, hatte zwischen Jänner und November 2022 keine einzige Sitzung.
Geschäftsführung hat nicht reagiert
Mehr noch: Die Geschäftsführung habe trotz der zugespitzten Marktlage ab dem Frühjahr 2022 keine Handlungsoptionen entwickelt, um das Liquiditätsrisiko des Börsenhandels zu reduzieren und eine breitere Risikostreuung zu erreichen.
Zunächst deckte die Wien Energie ihren steigenden Liquiditätsbedarf noch aus dem Cash-Pool des Mutterkonzerns Wiener Stadtwerke. Dafür brauchte es weder die Zustimmung des Aufsichtsrats, noch berichtete die Geschäftsführung dem Aufsichtsrat zeitnah, wie die Prüfer kritisieren.
Kritik am Aufsichtsrat
Generell kommt der Aufsichtsrat im Bericht sehr schlecht weg. Er "nahm seine Überwachungsfunktion im Hinblick auf das Liquiditätsrisiko nicht umfassend wahr und intensivierte seine Tätigkeit in einer kritischen Phase nicht“.
Die Prüfer kritisieren aber auch die Zusammensetzung des Gremiums: Die Nominierung erfolgte "nicht auf Basis nachvollziehbarer fachlicher Kriterien“. Maßgebliches Kriterium sei "de facto die institutionelle Nähe zur Stadt Wien“ gewesen.
Ungereimtheiten bei Notkompetenz
Und schließlich üben die Prüfer massive Kritik an der Vergabe der städtischen Hilfsgelder per Notkompetenz durch den Bürgermeister: Die Ausführungen im dafür nötigen Motivenbericht der MA 5 (Finanzen) "waren nicht geeignet, um die Höhe des beantragten Kreditrahmens und dessen Finanzierung durch die Stadt Wien hinreichend beurteilen zu können“. So wurde die Herleitung der beantragten Kredithöhe nicht ausreichend begründet.
Positiv heben die Prüfer hervor: Es gebe keinen Hinweis auf den Abschluss spekulativer Geschäfte.
Stadt verteidigt sich
Die Stellungnahme des Stadtsenats zum Rohbericht folgt im Wesentlichen den Argumenten, die von den Beteiligten bereits in der U-Kommission zur Causa 2022/23 vorgebracht wurden. So habe sich erst nach Ende August ein brauchbarer Markt für den außerbörslichen Handel etabliert, auf den man hätte ausweichen können.
Weiters betont man abermals, dass die krisenhafte Entwicklung des Energiemarkts – das massive Auseinanderdriften von Gas- und Strompreis nicht vorhersehbar war.
Zudem habe man keine andere Wahl gehabt, als bei den bereits abgeschlossenen Termingeschäften die Forderungen nach Besicherungen zu finanzieren. Andernfalls wären massive Verluste die Folge gewesen.
Generell – so die Stadt- habe das Zusammenspiel zwischen Politik, Verwaltung und Beteiligung im Krisenfall funktioniert. Verbesserungspotenzial sieht man aber bei der Krisenkommunikation. Zudem verweist man auf das im Vorjahr gestartete Projekt zur Weiterentwicklung des städtischen Beteiligungsmanagements.
Wien Energie gelobt Besserung
„Unser Ziel war und ist die zuverlässige Versorgung der Wiener mit Energie. Der ,Black Friday’ (die Eskalation an den Energiemärkten Ende August 2022, Anm.) war ein Tsunami, der in dieser Größenordnung nicht vorhersehbar war und die ganze Branche erschüttert hat“, sagt Michael Strebl, Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung. Und weiter: „Wir nehmen die Kritik des Rechnungshofs ernst und werden diese gewissenhaft evaluieren und umsetzen.“
Vielen Empfehlungen sei man bereits nachgekommen. „Wir haben in der damaligen Situation nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Heute wissen wir aber, dass auch solche Extremereignisse eintreten können. Genau deshalb haben wir unsere Schutzmauern noch höher gebaut.“
So sei die Analyse und Weiterentwicklung von internen Reportings, Stresstesting und der Organisation des Riskmanagements erfolgt.
Selbstverständlich habe es auch 2022 laufende formalisierte Abstimmungen und entsprechenden Informationsaustausch in den unterschiedlichen Gremien von Wien Energie sowohl im Aufsichtsrat als auch zwischen Geschäftsführung und Fachabteilungen gegeben, betont Strebl. Zudem habe die Anzahl von Terminen aufgrund der volatilen Situation im Vorjahr stark zugenommen. Durch die engmaschige Abstimmung und Einbindung wurden deshalb zeitweise keine zusätzlichen formellen Sitzungen des Risikokomitees durchgeführt.
Massive Kritik der ÖVP
Harsche Kritkm kommt von der ÖVP: "Im Grunde wurde seitens der SPÖ, assistiert von den Neos, nichts unversucht gelassen diesen Skandal zu vertuschen und alles daran zu setzen die Aufklärung in der Untersuchungskommission zu verhindern", sagen Klubobmann Markus Wölbitsch und Finanzsprecher Manfred Juraczka.
"Nichtdestotrotz konnten trotz großer Widerstände essentielle Kritikpunkte herausgearbeitet werden, die nun zu weiten Teilen seitens des Rechnungshofes gestützt und bestätigt wurden.“
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