Causa Strache: Warum es nicht egal ist, wo Politiker wohnen
Sag mir, wo du wohnst – und ich sag dir, wer du bist. Wenn es ans Wohnen geht, wird es ernst für die heimischen Politiker. Und das nicht nur aus rechtlichen Gründen – wie derzeit im Fall von Heinz-Christian Strache –, sondern auch politisch.
Denn: Die Frage, wo und wie ein Politiker lebt, ist emotional stark aufgeladen.
Zuletzt bekam das etwa Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu spüren, als sich vor der Nationalratswahl eine leidenschaftliche Debatte entspann, ob er nun Wiener (aus Meidling) oder doch Niederösterreicher (aus dem Waldviertel) sei. Davor traf es den Ex-Grünen Peter Pilz: Ein Spitzenpolitiker im Gemeindebau – das sorgte für Unmut.
Woher ist er? Wo wohnt er? Und wie? Mit den Antworten auf diese Fragen nehmen Politiker „eine wichtige indirekte Positionierung“ vor, formuliert es der Politikberater Thomas Hofer.
Dabei verhält es sich ähnlich wie mit der Frage nach dem Urlaubsort oder der Büroeinrichtung: „Wer sich hier richtig positioniert, der wirkt authentisch und volksnah“, sagt Hofer. Zu viel an Volksnähe darf es freilich auch nicht sein, wie Gemeindebaubewohner Peter Pilz lernen musste. Es ist ein schmaler Grat: „Man darf seinen Status nicht offen zur Schau stellen, sich aber auch nicht auf Kosten der Allgemeinheit bereichern“, sagt Hofer.
Strache kein Einzelfall
Die Debatte um Heinz-Christian Strache hält Hofer übrigens für „verlogen“ – und spricht damit ein Thema an, bei dem die Parteien gerne schweigen: „Ich kenne zig Geschichten und konkrete Fälle innerhalb aller Parteien, bei denen intern ganz ähnliches debattiert wurde.“ Kandidaten, die rasch umgemeldet wurden oder für den Wahlkampf wieder (fiktiv) zur Mama zogen? Keine Seltenheit.
Ist es also überhaupt noch zeitgemäß, dass Politiker dort wohnen müssen, wo sie kandidieren? Auf alle Fälle, ist Verfassungsrechtler Heinz Mayer überzeugt: „Wer das Volk im Landtag vertritt, muss auch aus dem Volk kommen. Ansonsten könnte ja jemand, der eigentlich in Vorarlberg lebt, in den Wiener Landtag einziehen. Das wäre nicht im Sinne der Demokratie.“
Keine Regeln für Bezirksräte
Umso überraschender ist es, dass es dort, wo Bürgernähe und Kenntnis der lokalen Gegebenheiten besonders wichtig sind, keine entsprechenden Regelungen gibt. Wer für die Bezirksvertretungswahlen kandidiert, muss nicht im entsprechenden Bezirk hauptgemeldet sein, sondern lediglich in Wien, heißt es aus der MA 62, die für Wahlen zuständig ist.
Mehr noch: Eine Person kann sogar für verschiedene Bezirke und den Gemeinderat antreten, was in der Praxis auch manchmal erfolgt. Die einzige Auflage: Nach der Wahl darf man nur ein Mandat annehmen.
Warum die Frage des Wohnsitzes ausgerechnet auf Bezirksebene so locker gehandhabt wird, kann man auch bei der MA 62 nicht beantworten. „Das ist eine politische Frage“, heißt es knapp seitens deren Leiterin Christine Bachofner.
„Ich kenne zig Geschichten und konkrete Fälle innerhalb aller Parteien, bei denen intern ganz ähnliches debattiert wurde.“
Und so kommt es, dass es etliche Bezirksräte gibt, die gar nicht in „ihrem“ Bezirk wohnen. Offen wird darüber meist nicht gesprochen, da sich dieses Phänomen durch die meisten Parteien zieht.
Hin und wieder gibt das Thema dann aber doch auch Wahlkampf-Munition ab. Etwa 2015 als Mariahilfs SPÖ-Bezirksvorsteher Markus Rumelhart auf Funktionäre der Bezirksgrünen hinzeigte, die gar nicht im Bezirk leben würden, während er schon seit vielen Jahren ein Mariahilfer sei.
Gerne betont auch Markus Figl, ÖVP-Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, bei jeder Gelegenheit, wie tief er im Bezirk verankert sei. Auch hier, um sich von Kollegen abzugrenzen, die vielleicht nur zu den Sitzungen in die City kommen.
„Dass Bezirksräte in anderen Bezirken leben, kommt häufiger vor, als man denkt“, sagt ein langjähriger Bezirkspolitiker, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Denn oft kommen die Kandidaturen über persönliche Bekanntschaften über die Bezirksgrenzen hinweg zustande.“
Er plädiert jedenfalls für eine Verschärfung der geltenden Regeln. „Wie das jetzt ist, ist das äußerst problematisch. Es wäre ja auch undenkbar, dass ein Bürgermeister nicht in seiner Gemeinde lebt.“
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