Seit Jahren wird darüber gemunkelt und getuschelt, wie beim Wiener Christkindlmarkt die Stände vergeben werden. Das Verfahren sei intransparent, unfair, Freunderlwirtschaft würde hier ganz unverfroren betrieben werden.
Im Fokus der alljährlich wiederkehrenden Kritik: Akan Keskin, Obmann des Vereins zur Förderung des Marktgewerbes und unter anderem Veranstalter der Christkindlmärkte auf dem Rathaus- und Michaelerplatz. Standler, die tatsächlich benachteiligt wurden, haben sich allerdings noch nie öffentlich geäußert. Auch, weil sie dadurch Nachteile bei künftigen Bewerbungen gefürchtet haben.
Bis jetzt.
Denn vor Kurzem hat sich Sandra Kaspar beim KURIER gemeldet. Seit 25 Jahren ist sie Marktfahrerin, sie stand schon beim Weihnachtsmarkt im Alten AKH, auch bei einem in Bad Vöslau, jedes Jahr über Silvester steht sie mit ihrem Brezelstand beim Silvestermarkt auf dem Rathaus- und auf dem Michaelerplatz.
Dort verkauft sie süße Brezeln (zum Beispiel mit Zuckerguss) und pikante Brezeln (zum Beispiel mit Käse). Damit die Touristen Gefallen an ihrem Gebäck finden, nennt sie die mit Zuckerguss und Mohn "Sisi-Brezl", die mit Apfel-Zimt-Geschmack "Franzl-Brezl".
Voriges Jahr kam Sandra Kaspar beim Silvestermarkt auf dem Michaelerplatz allerdings nicht zum Zug. "Keskins Tochter hat meinen Stand übernommen und 1:1 kopiert", sagt sie.
Und beim Silvesterpfad vor dem Rathaus habe sie nur noch einen "Standplatz im hintersten Eck" bekommen, erzählt sie. Weil sie sich das nicht länger gefallen lassen wolle, geht sie nun an die Öffentlichkeit.
Kein Griss
Die Bewerbung für die Silvesterstände läuft anders ab als jene für die Christkindlmärkte. Wer einen Stand will, schreibt ein eMail an den Verein. Wer nicht schlecht aufgefallen ist, bekommt den Zuschlag. Ein Griss um Silvesterstände gebe es – im Gegensatz zu Weihnachtsmarktständen – nicht. "Wir sind froh, wenn wir wen bekommen", sagt Akan Keskin.
Bei den Christkindlmärkten ist das Auswahlverfahren seit dem Jahr 2018 strenger. Nach anhaltender Kritik hat Keskin die Bewerbungskriterien für die von ihm veranstalteten Christkindlmärkte reformiert und ein Punktesystem eingeführt. Seitdem muss jeder, der einen Stand bespielen will, ein Konzept einreichen, samt Produktfotos, Dekorationsvorschlägen etc.
Der Vereinsvorstand gibt für jedes Konzept Punkte, wer die meisten hat, bekommt den Zuschlag. Aber auch nach der Reform hagelt es noch Kritik. Keskins Tochter betrieb nämlich im Vorjahr zwei Punschstände auf dem Rathausplatz. Auch er selbst war als Gastronom auf dem Rathausplatz. Keskin beteuert, dass er nicht mitstimme, wenn es um die Vergabe von Ständen an Familie und Freunden gehe.
Weihnachtsmärkte: 20 Christkindlmärkte gab es voriges Jahr in Wien. Fünf betrieb Keskins Vereins zur Förderung der Marktwirtschaft. Vier veranstaltete die Eventagentur Magmag, der Rest fiel auf private Betreiber und Vereine. 2018 reformierte Keskin die Bewerbung für seine Märkte, führte Kriterien und ein Punktesystem ein
Silvestermärkte: Keskin betreibt auch Silvestermärkte, und zwar vor dem Rathaus, auf dem Michaelerplatz, am Mariahilfer Platzl und in der Fußgängerzone in Favoriten
Neos-Wirtschaftssprecher Markus Ornig beeindruckt das nicht: "Egal wo man in Wien hinschaut, kommt einem schon die SPÖ-Freunderlwirtschaft entgegen", sagt er. "Es ist traurig, wie fleißige Unternehmer und Unternehmerinnen gegen Parteifreunde und deren Familienmitglieder benachteiligt werden."
Mangelnde Qualität
Angesprochen auf den Fall von Sandra Kaspar, sagt Keskin: "Ja, das stimmt." Auf ihr Bewerbungsmail für einen Brezelstand über Silvester erhielt sie im Vorjahr eine Absage. Allerdings sei die nicht "einfach so" passiert. Schon in den vergangenen Jahren habe es immer wieder Probleme mit dem Stand von Sandra Kaspar gegeben. Zuletzt sei er nicht ausreichend dekoriert gewesen. Ein paar Mal habe Keskin sie auf die Mängel hingewiesen. "Aber geändert hat sich nichts. Wenn jemand seine Sache gut macht, gibt’s kein Problem", sagt er.
Auch die Kritik mit dem Rathausplatz könne er nicht nachvollziehen: "Frau Kaspar hatte einen Stand gleich neben der Bühne", sagt der Obmann.
Seine Tochter generell von der Bewerbung auszuschließen, hält er für keine gute Idee. "Sie hat das gelernt. Sie kann das ja", sagt Keskin. "Wenn ich Arzt wäre und meine Tochter würde Ärztin werden, wäre man stolz. Wenn ich Anwalt wäre und meine Tochter Anwältin werden würde, wäre man auch stolz", sagt Keskin. Und genauso sei er stolz auf das Engagement seiner Tochter.
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