Brösl statt Stüberl: Das Stuwerviertel hat ein neues Lokal
Wo noch bis vergangenen Dezember das Wohlmutstüberl war, ist jetzt ein neues Szenelokal. Wo es noch vor Kurzem Schnitzel, Cordon bleu und Beuschel gab, gibt es jetzt Speisen wie Laban-Porree mit Chilibutter und gerösteten Walnüssen, Sardellen auf Gragger-Brot oder vegane Gerichte wie Käferbohnen, Zucchini, Mangold und Hokkaido auf Bröseln.
Nur die alte Aufschrift „Gastwirtschaft“ an der Fassade des urigen Ecklokals im Stuwerviertel erinnert noch an diese Zeiten. Seit 100 Jahren wird in dem Haus mit Unterbrechungen Gastronomie betrieben. Nun hat sich nach kurzem Leerstand ein neuer Betreiber gefunden.
Über der Tür steht jetzt zwischen Wohlmutstraße und Obermüllnerstraße seit 12. September ganz unscheinbar, in roter Schreibschrift gehalten, das neue Logo: Brösl.
Innen wurde renoviert, der „Vintage-Stil“ aber erhalten: Das 102 Jahre alte Fischgrät-Parkett knarrt, wenn man das Lokal betritt, die alten Tische wurden neu geschliffen, die Bar türkis lackiert. Selbst die Kondom-Automaten auf den Toiletten hängen noch – müssen aber neu befüllt werden. „Ich finde das einfach lustig“, sagt Manuel Bartolacci, der neue Geschäftsführer des Lokals.
Der gebürtige Italiener wuchs als Kind einer Gastro-Familie quasi in einer Bar in Treia auf. 2013 kam er nach Wien und wollte eigentlich weg von der Gastronomie – doch er arbeite beim Pizza Quartier am Karmelitermarkt, kochte für „It’s all about the meat, baby“ im Charlie P’s und leitete das Brickmakers. Zusammen mit Freunden – darunter der Olympia-Segler Thomas Zajac – gründete er nun das Brösl.
Ein „mutiges“ Konzept
„Was wir machen, kann man gar nicht so einfach sagen“, meint Bartolacci. Die Zutaten sind frisch und werden von lokalen Bauern oder vom nahen Vorgartenmarkt bezogen. Es soll fast jeden Tag eine neue Speisekarte geben und die Gerichte nur so lange der Vorrat reicht. „Ich will nichts wegschmeißen“, erklärt er.
Bartolacci ist Italiener, will aber keine Pizza und keine Spaghetti anbieten. Die Köchin wurde in Polen geboren, hat aber Erfahrung mit mediterraner Küche. Es gibt vegane und vegetarische Speisen, Fleisch und Fisch. „Ich möchte, dass die Gäste meinen Mut teilen und einfach probieren“, sagt Bartolacci.
Deswegen können die Gerichte geteilt werden und werden am liebsten mit mehreren Tellern serviert. Mittags gibt es ein Menü für 11,90 und Espresso um einen Euro.
Der Name Brösl soll für genau diese bunte Mischung stehen: Einerseits wird in Italien eine Art veganer Parmesan aus Bröseln gewonnen und Bartolacci macht eines seiner selbst gebrauten Biere aus altem Brot.
Andererseits heißt „Brösel haben“ im Wienerischen so etwas wie „einen Streit haben“. Das soll eine Brücke zur Geschichte des ehemaligen Rotlichtviertels schlagen.
Bartolacci selbst kannte das Stuwerviertel „gar nicht so gut.“ Das leer stehende Lokal entdeckte er zufällig beim Spazieren. „Es ist wunderschön mit den Bäumen auf den Straßen. Und die Bevölkerung hier ist bunt“, sagt er. Alteingesessene Mieter hätten ihm gegenüber allerdings auch schon Ängste geäußert.
Dass wieder ein alter Wirt einem neuen Lokal gewichen ist, das habe ihnen nicht so recht gepasst. Und dass zu wenig Fleisch auf der Karte steht, musste er sich auch schon anhören.
Angst vor Veränderung
Denn in dem Viertel zwischen Lassallestraße und Ausstellungsstraße passiert ein schleichender Wandel: Vor allem rundum den Vorgartenmarkt siedeln sich viele hippe Lokale an, auch das ehemalige „Kneipp-Stüberl“ musste kürzlich der Gin-Bar „Fritz von Stuwer“ weichen.
Brösl
Mittagsmenü und Abendkarte
Wohlmutstraße 23
Mi.–Fr. 11–0, Sa.–So. 15-0 Uhr
Tel.: 0676/3949105
Fritz von Stuwer
Soul, Jazz und Gin,
kleinere Speisen
Sebastian-Kneipp-Gasse 2
Mo.–Sa. 15.30–23 Uhr
Tel.: 0676/4408843
Pizzeria Il Mercato
Neapolitanische Pizza
Vorgartenmarkt Stand 4
Mo.–Fr. 12–22 Uhr,
Sa. 11–22 Uhr
Tel.: 0660/1231288
Mokkathek
Kaffee und Imbiss
Illgplatz 6
Mo.–Fr. 7.30–14 Uhr,
Sa. 9–14 Uhr
Tel.: 0699/11507757
Selbst Stadtplaner warnen vor einer Gentrifizierung und steigenden Mieten im Stuwerviertel. Spekulation mit Wohnraum hat auch hier schon eingesetzt – das Potenzial, ein Luxusviertel zu werden, ist gegeben.
Diese Entwicklung geht hier aber langsamer als anderswo: Die ansässige Bevölkerung wurde durch die Aufwertung des Viertels (noch) nicht verdrängt. In keinem anderen Grätzel der Leopoldstadt leben so viele Personen mit Migrationsgeschichte wie im Stuwerviertel – nämlich 51 Prozent.
Bartolacci zeigt Verständnis: „Die alten Mieter haben Angst vor der Gentrifizierung.“ Er glaubt aber, sich gut in das Viertel eingliedern zu können: „Die Menschen hier sind neugierig“, sagt er. Und wer weiß, vielleicht wollen sie auch einmal etwas Neues ausprobieren.
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