Noch ist völlig unklar, ob der für den 28. Jänner geplante Akademikerball in der Wiener Hofburg pandemiebedingt überhaupt stattfinden kann. Ungeachtet dessen debattiert man in der Wiener FPÖ derzeit eifrig darüber, wer dieses Mal auf der Gästeliste des umstrittenen Burschenschafterballs steht.
Oder durch Abwesenheit glänzt. Denn aktuell macht bei den Wiener Blauen, die den Ball organisieren, das Gerücht die Runde, dass Parteichef Herbert Kickl gar keine Loge reserviert habe. „Das sorgt unter den Burschenschaftern in der Partei für ein Aufraunen“, sagt ein blauer Funktionär aus Wien zum KURIER. „Zwar waren sich Kickl und die schlagenden Verbindungen nie besonders grün. Man hätte sich aber doch erwartet, dass er als Parteichef den Ball besucht.“ Udo Guggenbichler, Ballorganisator und FPÖ-Gemeinderat, will ein mögliches Fernbleiben Kickls weder bestätigen noch dementieren.
Die Episode zeigt aber, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen der Wiener FPÖ und dem neuen Bundesparteichef mittlerweile ist. Galt die Landespartei Kickl gegenüber schon seit Langem äußerst reserviert, herrscht aktuell aufgrund des radikalen Corona-Kurses des Obmanns Eiszeit.
„Natürlich ist es richtig und gut, gegen die Pandemie-Politik der Bundesregierung und allen voran gegen die geplante Impfpflicht aufzutreten. Auch in Form von Demos“, sagt der Funktionär. „Aber man muss der Regierung mit Argumenten entgegentreten, nicht mit Fake News.“
Damit meint er vor allem den umstrittenen Auftritt der Wiener FPÖ-Nationalrätin Dagmar Belakowitsch bei einer von der FPÖ mitorganisierten Corona-Demo Anfang Dezember. Auf offener Bühne hatte sie damals behauptet, die Spitäler seien durch Patienten mit Impfschäden überfüllt.
„Solche Verschwörungstheorien zu verbreiten, ist einfach verantwortungslos“, sagt der Blaue.
Parteiaustritte
Vielen in der gesellschaftspolitisch konservativ geprägten Partei sei zudem sauer aufgestoßen, dass die als Mann geborene radikale Impfgegnerin Monika Donner auf der FPÖ-Bühne auftreten durfte. Die von Unflätigkeiten gespickte Ansprache der Aktivistin wurde sogar von FPÖ-TV übertragen.
Der Funktionär spricht davon, dass es in den vergangenen Wochen bereits eine Reihe von Parteiaustritten gegeben habe. Darunter vor allem alteingesessene FPÖ-Mitglieder. Eine genaue Zahl will er nicht nennen.
Es scheint ganz so, als würde die Pandemie alte innerparteiliche Gegensätze verschärfen. Im Vorjahr waren es vor allem die Wiener Blauen, die gegen Kickls Machtübernahme in der Partei waren. Umgekehrt war es gerade Kickl-Vertraute Belakowitsch, die die Kür von Dominik Nepp zum Landesparteichef massiv bekämpft haben soll.
Es spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle. Für einen langjährigen Parteikenner, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden will, ist es keineswegs eine Überraschung, warum ausgerechnet in der Wiener Partei die Ablehnung von Kickls Corona-Kurs so groß ist: „Die Partei besteht noch zu einem großen Teil aus klassischer freiheitlicher Klientel. Also aus Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten. Für viele von ihnen sind die Aussagen von Kickl und Belakowitsch inakzeptabel.“ Für Entsetzen habe auch eine Rede des FPÖ-Bundesrats Andreas Spanring im Parlament gesorgt, in der er den grünen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein in die Nähe von KZ-Medizinern gestellt hatte.
In der Wiener Partei befürchtet man nun, dass die eher gebildeten Mitglieder der Partei in Scharen den Rücken kehren und von Personen ersetzt werden, die auch bei Themen abseits von Corona abstrusen Verschwörungstheorien anhängen.
Wie man das Ruder herumreißen könnte, weiß man derzeit nicht. In der Wiener Landesgruppe ist man sich nicht einmal im Klaren, ob Kickl selbst von seinen Positionen überzeugt ist oder sie nur zum Stimmenfang einsetzt. „Wenn es sich um reine Strategie handelt, dann ist es eine schlechte“, verweist ein Funktionär auf zuletzt wieder sinkenden Umfragewerte.
In Deckung
Noch wagt keiner, die Kritik an Kickl auch öffentlich auszusprechen. Stattdessen geißelt Nepp gebetsmühlenartig – wenn auch leicht moderater als sein Parteichef – die Corona-Maßnahmen. Dafür werden Funktionäre aus den hinteren Reihen vorgeschoben, um ihren Unmut kundzutun.
So forderte zuletzt der Obmann der Freiheitlichen Wirtschaft, Matthias Krenn, einen „Weihnachtsfrieden“ für das Einkaufswochenende vor dem Heiligen Abend. Die Betriebe sollen ungestört von Demos ihren Geschäften nachgehen können. Angesichts des Umstandes, dass die Kundgebungen von der FPÖ mitorganisiert wurden, ein bemerkenswertes Statement.
Es erinnert schon fast wieder an die alte FPÖ vor der Pandemie – und an ihre Beschwerden über die vielen „Deppen-Demos“ in Wien.
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