Corona-Themen vor Gericht: "Bitte sachlicher und Emotionen raus"
Das Verwaltungsgericht Wien in der Muthgasse ist kein Ort, an dem Mord und Totschlag verhandelt werden. Oft geht es um Strafen, die in den Augen der Bestraften nicht gerechtfertigt sind.
Doch die Emotionen kochen auch hier immer öfter hoch. Denn Corona hat das Gericht erreicht. Nicht das Virus selbst, sondern die rechtlichen Nachwirkungen. Zwei bis drei Verhandlungen täglich drehen sich um Corona-Strafen. Von Demo-Anzeigen und Masken-Verstößen bis hin zu Ausgangsverstößen mitten im harten Lockdown. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
Menschenleer
Die Gänge im verwinkelten Verwaltungsgericht sind fast menschenleer. Nur Herr R. sitzt auf einem der Plastiksessel, von denen nur jeder vierte besetzt werden darf.
Herr R. ist so einer, der während der Pandemie eine Strafe ausgefasst hat. Es war im vergangenen November. Mit seinen Enkelkindern war er auf einem Sportplatz, wollte sich in der Freiluft-Kantine ein Bier holen – allerdings ohne Maske. Der Obmann des Sportvereins rief die Polizei. Herr R. bekam eine Strafe über 50 Euro oder wahlweise eine Ersatzfreiheitsstrafe über zwei Stunden.
"Ich zahl gar nichts"
Die Geldstrafe akzeptiert der Urwiener mit dem breiten Dialekt nicht. „Ich sag Ihnen gleich, Sie können mich einsperren, wenn Sie wollen. Ich zahle gar nix“, klärt er – diesmal wie vorgeschrieben mit Maske – bei Richterin Monika Romaniewicz gleich einmal die Fronten.
"Mein Schutz: Ich bin gesund"
Und: „Ich brauche aus gesundheitlichen Gründen keine Maske. Mein gesundheitlicher Grund ist, dass ich gesund bin!“ Abgesehen vom hohen Blutdruck, der plagt ihn manchmal.
Richterin Romaniewicz versucht, den Herrn, der ohne Anwalt gekommen ist, zu bremsen. „Bitte sachlicher und die Emotionen raus.“ Das gelingt nicht ganz: „Da muss man sich ja aufregen als österreichischer Staatsbürger!“
Herr R. hat das Bundesgesetzblatt ausgedruckt. „Kennen Sie das?“, fragt er die Richterin. Um wenig später vom Juristischen zum Medizinischen zu wechseln: „UV-Strahlung und Wind, das ist wissenschaftlich bewiesen, da gibt’s null Gefahr.“
Die Richterin interessiert sich mehr für die rechtlichen Bestimmungen. Konkret für den Zeitraum, in dem Herr R. die Anzeige bekommen hat. „Kennen’S Ihnen da aus? Das ist alles aufgehoben worden. Ich kann Ihnen das genau sagen“, will Herr R. aushelfen. Die Richterin muss widersprechen: Die Bestimmung wurde nicht als gesetzeswidrig eingestuft. Allerdings: Sie will sich den Verordnungsakt holen und sich ansehen, ob die Bestimmung damals auch ausreichend begründet worden ist. Falls nicht, wird sie einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof stellen. „Das werden wir das nächste Mal erörtern“, erklärt sie und schließt die Verhandlung.
Eine halbe Stunde hat sie Zeit, um sich auf die nächste Verhandlung vorzubereiten – dann geht es um einen Mann, der im Lockdown beim Würstelstand ein Bier getrunken hat.
Maskenverweigerer
Es sind keine Verhandlungen wie alle anderen. Die Emotionen kochen deutlich leichter über. Und das oft schon, bevor die Betroffenen das Gericht betreten. „Wir haben immer wieder das Problem, dass Leute keine Maske tragen wollen“, bestätigen Sicherheitsmitarbeiter an der Zutrittsschleuse.
Was dazu geführt hat, dass auch die Sicherheitsvorkehrungen im Gericht erhöht worden sind. „Bei manchen Verfahren können wir schon davon ausgehen, dass es Probleme geben wird. Entsprechend informieren wir vorab die Polizei oder stocken den Sicherheitsdienst auf“, bestätigt Beatrix Hornschall, die Sprecherin des Verwaltungsgerichts Wien.
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