Im Bezirk der schönen Künste: Ein Besuch im Bezirksmuseum Josefstadt

Im Bezirk der schönen Künste: Ein Besuch im Bezirksmuseum Josefstadt
Warum Ausstellungen wie Lieblingskinder sind, die besten Bühnenbretter aus Schwarzkiefer und ein Wien-Plan alle ins Gespräch bringt.

Eigentlich ist Maria Ettl in Pension, aber dann auch wieder so gar nicht. Seit 15 Jahren leitet sie ehrenamtlich das Bezirksmuseum Josefstadt, doppelt so lange ist sie hier schon Teil des Teams. „Ich bin immer gern arbeiten gegangen. Soll ich daheim sitzen und Staub wischen?“, fragt sie nicht ganz ernst gemeint. Schon eine kurze Begegnung mit der elegant gekleideten Frau macht deutlich, dass Stillstand für sie ganz sicher keine Option ist.

Den elterlichen Bauernhof im Burgenland verließ sie als Jugendliche in Richtung Wien, wo sie zunächst die Handelsschule besuchte und dann „in der Stadt picken blieb“, wie sie erzählt. Bis zu ihrer Pensionierung arbeitete sie beim Verein für Konsumenteninformation. Und seit mehr als 40 Jahren lebt sie im 6. Bezirk. „In der Josefstadt bin ich quasi Gastarbeiterin“, sagt sie und lacht.

Im Bezirk der schönen Künste: Ein Besuch im Bezirksmuseum Josefstadt

Aus dem Inventar eines Josefstädter Schusterbetriebes.  

Der Brautstrauß im Luster

Doch der Bezirk hat es ihr sichtlich angetan. „Der 8. ist klein und kompakt und alle kennen sich hier. Natürlich ist die Sozialstruktur hier großteils eine andere als in vielen Teilen Wiens – aber auch in der Josefstadt wohnen Menschen, die sich das Leben bald nicht mehr leisten können.“ Was sie am Bezirk besonders schätzt: Dass man hier viel umsetzen und bewegen kann. „Ich habe das Bezirksmuseum immer als Plattform im und für den Bezirk verstanden“, sagt sie.

Dazu trägt auch der große Veranstaltungssaal mit direktem Blick auf die Piaristenkirche bei: „Hier finden Kammermusikkonzerte, Klassik für Babys, verschiedene Vorträge statt, wirklich alles quer durch.“ Alles – nur ganz sicher keine Hochzeiten mehr. Denn: „Da ist einmal der Brautstrauß im Luster gelandet.“

Adresse und Öffnungszeiten
Schmidgasse 18 (nicht barrierefrei)
1080 Wien
Mi, 18 bis 20 Uhr
So, 10 bis 12 Uhr

Ausstellungen
„Keller, Bäche, Bunker und Kanäle: Die Josefstadt unterirdisch“ und „Ich wollte Wien liebhaben, habe mich aber nicht getraut“, beide noch bis 26. Jänner 2025

Veranstaltungen
Kammermusikkonzert, „Große Oper, kleine Besetzungen“, 15. Jänner, 19 Uhr, freier Eintritt
Weitere Veranstaltungsinfos hier. 

Weitere Infos
bezirksmuseum.at    

Im ersten Stock ist in einer langen Zimmerflucht die Dauerausstellung untergebracht. Dass die schönen Künste im Bezirk ihre Spuren hinterlassen, sieht man schon an den prachtvollen Bühnenkostümen aus dem Theater in der Josefstadt, die hier ausgestellt sind. Auch ein Stück ausrangierter Bühnenboden aus dem Theater konnte Ettl vor der Entsorgung retten. Die Bretter, die Welt bedeuten, sind in diesem Fall aus Schwarzkiefer. Durch ihren hohen Harzanteil neigen sie weniger zum unerwünschten Knarren.

Wien aus der Vogelperspektive

Nach ihrem Lieblingsexponat gefragt, muss Ettl nicht lange nachdenken. „Der Huberplan!“ So wird der von Militärkartografen Joseph Daniel von Huber im Jahr 1778 erstellte Vogelschauplan vom damaligen Wien und seinen Vorstädten genannt. „Da kommt man mit allen Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch, und sind sie noch so grantig. Na, wo stehen wir denn gerade?“, prüft die Museumsleiterin ihren Besuch gleich scherzhaft ab. Gar nicht so einfach zwischen all den verschwundenen Gartenpalais und inzwischen neu gezogenen Straßen und Gassen.

So wie viele in ihrer Position ist auch die gebürtige Burgenländerin über Umwege ins Bezirksmuseum gekommen. Als sie einem befreundeten Künstler bei der Vorbereitung einer Ausstellung im Bezirksmuseum Neubau half, lernte sie die damalige Leiterin Elfriede Faber kennen. Als diese dann in die Josefstadt wechselte, ging Ettl mit.

„Wir waren wirklich ein kongeniales Team“, erinnert sie sich an die gemeinsame Zeit zurück. Als Faber 2009 starb, übernahm Ettl schließlich die Leitung des Museums.

Im Bezirk der schönen Künste: Ein Besuch im Bezirksmuseum Josefstadt

Maria Ettl leitet seit 15 Jahren das Bezirksmuseum Josefstadt.

„Ich wollte Wien liebhaben“

Seither haben sie und ihr Team an Freiwilligen schon zahlreiche Sonderausstellungen konzipiert, deren Ankündigungsflyer im Museumsvorraum große Ordner füllen. Ihre bisher liebste Ausstellung? „Das kann ich nicht sagen, das ist so, als würde man nach seinem Lieblingskind gefragt werden.“

Einen besonderen Platz in ihrem Herzen hat aber dennoch die aktuelle Sonderausstellung, die noch bis 26. Jänner im Bezirksmuseum zu sehen ist. Der Titel: „Ich wollte Wien liebhaben, habe mich aber nicht getraut. Das Leben der Schriftstellerin Lore Segal“. Die gebürtige Josefstädterin Segal konnte 1938, im Alter von 10 Jahren, mit dem ersten Kindertransport aus Wien fliehen. Über mehrere Umwege fand sie schließlich in New York eine neue Heimat und machte sich als Schriftstellerin einen Namen. Hier, in ihrem Apartment an der Upper West Side, starb Segal im Oktober 2024 mit 96 Jahren – an den Ausstellungsvorbereitungen war sie aber noch beteiligt.

Im Bezirk der schönen Künste: Ein Besuch im Bezirksmuseum Josefstadt

Lore Segal, 1929 in der Josefstadt.

„Alle Exponate, Fotos und Dokumente hat sie uns zur Verfügung gestellt“, erzählt Ettl. Bei der Eröffnung war Segal via Liveschaltung aus New York sogar persönlich anwesend. „Wissen Sie, so etwas macht einfach Freude, da vergessen Sie jegliche Anstrengung. Auch wenn man nie auf einen grünen Zweig kommt“, sagt die Museumsleiterin mit leiser Resignation und Blick auf das kontrollierte Chaos auf den Schreibtischen im Museumsbüro.

Ihr Traum? „Bevor ich an meine Nachfolge übergebe, möchte ich auch Stefan Zweig, der ein gutes Jahrzehnt in der Josefstadt gelebt hat, noch einen Platz hier im Museum einrichten.“

Kommentare