Bezirke stellen sich gegen ganzjährige Schanigärten in Wien

Bezirke stellen sich gegen ganzjährige Schanigärten in Wien
Harsche Kritik übt man an der Nicht-Einbindung der Bezirke. Befürchtet werden negativen Folgen für Anrainer, die Umwelt und den Handel

Bei dem gemeinsamen Medientermin schickten die Bezirksvorsteher der Bezirke 1, 7 und 8 ihrer Kritik eines voraus: Alle drei – Markus Figl (ÖVP) sowie die grünen Bezirkschefs Markus Reiter und Martin Fabisch – würden selbst auch gerne in Schanigärten sitzen.

Es ginge auch nicht darum, etwas zu verbieten. Über die ganzjährige Öffnung, die am Donnerstag im Gemeinderat beschlossen werden soll, sei aber „von oben herab“ entschieden worden, ohne die Expertise der Bezirke einzuholen.

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Gewarnt wird vor einer einseitigen Nutzung des öffentlichen Raums – mit negativen Folgen für die Umwelt, den Handel und Anrainer.

Bezirke stellen sich gegen ganzjährige Schanigärten in Wien

V.l.n.r: Obmann der Neubauer Kaufleute Kurt Wilhelm und die Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne), Markus Fig (ÖVP) und Martin Fabisch (Grüne)

Mit rund 700 Schanigärten sei der 1. Bezirk besonders betroffen, befürchtet wird eine Zunahme an Außenheizungen. Die seien nicht nur energie- und klimatechnisch schädlich.

Sie könnten laut Figl mit der Zeit und steigendem Druck als Vorwand dienen, um die sogenannte und wenig ansehnliche Einhausung von Schanigärten zu erlauben, um keine heiße Luft mehr nach draußen zu blasen.

Die ganzjährige Schanigarten-Öffnung führt zum Entzug des kostbaren öffentlichen Raumes für alle, die ihn nutzen

von Markus Figl (ÖVP)

Bezirksvorsteher Innere Stadt

„Die ganzjährige Schanigarten-Öffnung führt zum Entzug des kostbaren öffentlichen Raumes für alle, die ihn nutzen. Das ist nicht der verantwortungsvolle Umgang mit dem öffentlichen Raum, den wir uns wünschen“, so Figls Kritik.

Handel unter Druck

Neubaus Bezirksvorsteher Reiter sowie der Obmann der Neubauer Kaufleute Kurt Wilhelm warnen, dass der stationäre Handel weiter zurückgedrängt werde: „Die Cashcow jedes Hauses ist die Vermietung der Erdgeschoßzone. Neuvermietungen werden verstärkt an Lokale gehen, da von ihnen ein Vielfaches an Miete verlangt werden kann, weil sie mehr Umsatz erzielen als kleine Geschäfte.“

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Alle drei Bezirksvorsteher warnen auch vor einer Zunahme an Lärmbeschwerden und einer Nutzung der Schanigärten als Lagerflächen. Der Josefstädter Bezirkschef Fabisch bezweifelt, dass die Stadt angesichts der Personalnot die dazu angekündigten strengen Kontrollen überhaupt bewältigen könne.

„Die Josefstadt war bisher Heizschwammerl-frei. Das wird sich nun ganz klar ändern“, prophezeit Fabisch, der in seinem Bezirk die Zahl der Schanigärten auf 200 bis 250 Stück schätzt.

Typisch Wien

Gegenüber von Anrainern sei man in den dicht bebauten Bezirken nun in Erklärungsnot, da versichert wurde, dass die Öffnung von Schanigärten im Winter nur eine temporär Pandemieregelung sei. Figl bezeichnet das Vorgehen, aus einer provisorischen Lösung eine Dauerlösung zu machen, als "typisch wienerisch".

Von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) fordern die Bezirke nun eine flächendeckende Zonierungsverordnung, wie es sie in der Inneren Stadt gibt. 

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Sie regeln auf den Meter genau, welche Fläche wie genutzt werden darf. Damit soll der Wildwuchs im öffentlichen Raum verhindert werden, und Wirtschaftstreibende sollen Planungssicherheit haben.

  • Im Gegensatz zu Gastgärten stehen Schanigärten auf öffentlichen Grund. Die Frage, wer diesen in welcher Form nutzen oder gar etwas darauf aufstellen darf, die sorgt vor allem in der City seit Langem für Konflikte. Der Nutzungsdruck ist durch Schanigärten, Würstel- und Punschstände besonders hoch.
  • Rund 3.500 Schanigärten gibt es in der ganzen Stadt im Sommer. Im Winter waren es während der Pandemie 1.800 Stück. Im Winter dürfen die Schanigärten beheizt werden – aber nur elektrisch
  • Es gibt rund 6.000 Gastro-Betriebe ohne Cafés und 2.100 Kaffeehäuser. Sie können Schanigärten künftig für das ganze Jahr beantragen.

Rot-pink ortet "künstliche Aufregung"

Neos-Wirtschaftssprecher Markus Ornig wies die Kritik auf Bezirksebene per Aussendung als „künstliche Aufregung fernab jeglicher Sachpolitik“ zurück: "Die Gesetzesänderung für Ganzjahresschanigärten bestätigt nur eine seit drei Jahren bestehende Praxis und stellt sicher, dass lebendige Schanigärten in Zukunft verantwortungsvoll genutzt werden.“

SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher bezeichnet die ganzjährige Öffnung als Win-win-Situation, die Kritik sei „politisches Hickhack“.

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