Klare Kommandos
Während einer der beiden den Dummy bereits schüttelt und anspricht, kontrolliert der andere, ob tatsächlich keine Atmung vorhanden ist. Dann gibt es klare Kommandos: „Leg dem Patienten bitte die Beatmungsmaske an.“ Und weiter: „Wir starten jetzt mit der Beatmung und Herzdruckmassage.“ Schon drückt einer der beiden Rettungssanitäter mit beiden Händen und in schnellem Tempo in die Mitte des Brustkorbes der Puppe.
„Ich zähle laut mit“, wendet er sich ruhig, aber bestimmt an mich. „Wenn ich bei 30 bin, beatmest du bitte zweimal.“ Wir wiederholen das alles mehrmals – bis einer der beiden Notfallsanitäter plötzlich ruft: „Alle zurück, jetzt kommt ein Stromstoß“. Das also ist die Defibrillation, die das Herz mit Elektroschocks in den ursprünglichen Rhythmus zurückversetzen soll.
Herzdruckmassage und Beatmung
Danach fahren wir mit der Herzdruckmassage und Beatmung fort. Nun bin ich an der Reihe mit drücken: gleichmäßig und schnell im Rhythmus von Stayin Alive von den Bee Gees – ganz so wie ich es vor einer gefühlten Ewigkeit für meinen Führerschein gelernt habe.
Zusätzliche Belastungsprüfung
Trotz Konzentration und Adrenalin im Blut, merke ich, wie anstrengend das Drücken mit der Zeit wird. Es ist ein heißer Tag im Juli. Im Simulationsraum ist es stickig und schwül – eine Klimaanlage oder einen Ventilator gibt es nicht. Ich frage mich, ob der Umgang mit der Hitze eine zusätzliche Belastungsprüfung oder einfach Vorbereitung auf die Realität sein soll.
Gerade im Sommer muss die Wiener Berufsrettung häufig ausrücken. Atemstillstand und Kreislaufkollaps gehören zum Alltag. Insgesamt verzeichnet die Berufsrettung der Stadt Wien zwischen 900 und 1.000 Einsätze täglich. Und das mit über 800 Sanitätern und Sanitäterinnen. Die Frauenquote beträgt nur acht Prozent.
Ausbildung nach dem Sanitätergesetz
Die Berufsrettung Wien ist übrigens ein Unikum in Österreich. Die Sanitäterinnen und Sanitäter sind hauptberuflich angestellt, freiwillige gibt es keine. Wer also zur Berufsrettung will, muss bereits mindestens eine Ausbildung zum Rettungssanitäter nach dem Sanitätergesetz absolviert haben.
Vergangenes Jahr haben sich 300 von ihnen bei der Wiener Berufsrettung beworben. Nur 86 haben es freilich durch das harte Auswahlverfahren geschafft. Die Ausfallsquote liegt damit bei rund 70 Prozent.
CPR-Szenario, Tragetest und Fachgespräch
Zum Aufnahmeverfahren gehört neben dem eingangs beschriebenen CPR-Szenario (kardiopulmonale Reanimation) ein Tragetest, ein medizinischer Check (Hör- und Sehtest), ein Drogen- und Alkotest sowie ein psychologisches und ein Fachgespräch.
75 Kilogramm beim Tragetest
Das CPR-Szenario habe ich also mit Unterstützung der beiden Rettungssanitäter erfolgreich hinter mich gebracht. Verschwitzt und ausgepowert geht es direkt weiter zum Tragetest. Ich bekomme einen Einsatzrucksack auf den Rücken und jeweils 25 kg Kurzhanteln in beide Hände. Vor mir steht ein circa 30cm hoher Stepper.
Die Aufgabe: 25-mal rauf- und runter in voller Montur. Insgesamt trage ich um die 75 Kilogramm – mehr als mein Eigengewicht. Schon das Halten fällt mir schwer. 13 Wiederholungen schaffe ich. Dann fallen mir die Hanteln fast aus den Händen. Keine Chance.
Beim Tragetest geht es vor allem darum, verletzte Personen für einen geraumen Zeitraum tragen beziehungsweise zum Rettungswagen transportieren zu können. Aber nicht nur auf die körperliche Fitness kommt es an: „Wichtig bei allen Tests“, erklärt Matthias Gatterbauer, stellvertretender Leiter der Wiener Rettungsakademie, „ist der Umgang mit kritischen Situationen innerhalb des Teams.“
Fachlichen Kenntnisse müssen passen
Worauf es sonst noch ankommt? „In erster Linie müssen die fachlichen Kenntnisse je nach Ausbildungsgrad passen, aber auch die gesundheitliche und psychische Eignung“, betont Michael Girsa, Leiter der Wiener Rettungsakademie. Apropos: Jetzt steht mein Gesundheitscheck auf dem Programm. Nach einem Seh- und Hörtest werden meine Lunge abgehört und mein Bauch abgetastet. Es folgt ein Belastungs-EKG. Dafür geht’s ab aufs Ergometer. Acht Minuten Radeln mit steigender Intensität. Kein Problem für mich – das viele Radeln in der Freizeit macht sich endlich bezahlt.
Drogentest
Fehlt nur noch der Drogentest, der auf so gut wie alles abzielt, was die Polizei verboten hat: Kokain, Opiate, Methadon, Amphetamine, Cannabis und Ecstasy. Alles negativ – ich bin eine Runde weiter. Fehlen nur noch das psychologische Eignungsgespräch und das abschließende Bewerbungsgespräch.
Dass der Test selbst für gelernte Sanitäter schwer ist, gibt Matthias Gatterbauer zu: „Es kommt immer sehr darauf an, wie viel Zeit der Bewerber oder die Bewerberin investiert, um sich auf das Aufnahmeverfahren vorzubereiten. Wir führen die Bewerber aber ganz bewusst an ihre Grenzen, weil wir schauen möchten, wie sie im Ernstfall reagieren.“ Und um den geht es letztlich immer.
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