Wiener-Linien-Lotse: "Kriegen oft die Wut der Passagiere zu spüren"
Hilfesuchende erkennt man sofort. An ihrem Blick und der Art, wie sie sich in der Station bewegen. Meistens schauen sie sich nach etwas um, wissen aber selbst nicht genau, wonach. Wer es aber weiß, ist Klaus M.
Seit acht Jahren hilft der Servicemitarbeiter der Wiener Linien Fahrgästen dabei, die richtigen Routen zu finden.
So auch im heurigen – doch recht intensiven – Baustellensommer. Derzeit arbeitet der 54-Jährige auf der Linie U4 bei der Station Schottenring. Die Linie endet, von Heiligenstadt kommend, aktuell hier. Wollen die Passagiere weiter nach Hütteldorf, müssen sie für zwei Stationen auf die Straßenbahn umsteigen. Schon zwei Wochen dauert die Sperre jetzt an – und sorgt weiterhin für aufgebrachte Fahrgäste, wie die scharfen Bemerkungen zahlreicher Passagiere jeden Morgen beim Umsteigen zeigen.
➤ Mehr lesen: Frust über geänderte Fahrpläne in Wien ist groß
Denn kurz nach Klaus’ Dienstbeginn um 6 Uhr Früh sind auch schon die ersten Pendler unterwegs. Nicht immer sei es mit denen einfach, sagt Klaus. „Oft kriegen wir die Wut der Passagiere auf die Umbauarbeiten zu spüren.“
Probates Mittel gegen die Wut
Nach all den Jahren hat der Servicemitarbeiter aber ein probates Mittel, um den aufgebrachten Wienerinnen und Wienern entgegenzutreten. „Mit einem Lächeln und viel Charme. Manchmal auch mit einem guten Witz.“
Mittlerweile habe sich die Situation aber etwas beruhigt. „Die Wiener haben sich einigermaßen an die Umbauarbeiten gewöhnt. Sie wissen längst, wohin sie müssen.“ Ein Blick in die U-Bahn-Station bestätigt das. Zielstrebig bahnen sich die meisten Passagiere ihren Weg zu den Ersatzlinien.
Dastehen wie ein Held
Der Beginn der Umbauarbeiten sei deutlich hektischer gewesen, sagt Klaus. „Manchmal habe ich mich einfach in die U-Bahn gestellt und laut gefragt, wer nach Hütteldorf muss.“ Danach habe erstmal das Getuschel angefangen, bevor sich einige Passagiere mit Handzeichen meldeten. „Hat man den Fahrgästen dann den richtigen Weg gezeigt, freuen sie sich und man selbst steht da wie ein Held, weil man sie gerettet hat“, sagt Klaus mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
➤ Mehr lesen: Ein Er-Fahrungsbericht: So lange dauert eine Fahrt mit der U6
Es sei eben wie überall, wo man mit Menschen arbeitet. „Einmal wird man angeschnauzt. Danach sind die Leute dreimal dankbar, bevor man wieder angeschnauzt wird.“
Es gibt zwei Optionen
Jetzt, wo sich die Fahrgäste ein bisschen an die Umstellungen gewöhnt haben, sei auch der Personalaufwand gesenkt worden. Standen die Servicemitarbeiter Anfang Juli am Schottenring auch bei der Straßenbahn-Station, stehen sie nun nur noch bei den Gleisen der U4. Das reiche aber, denn auch die Hilfesuchenden sind weniger geworden. Das seien jetzt vor allem Touristen. Ab 10 Uhr stehen die in der Station – sichtlich verwirrt und mit suchendem Blick.
„Ich frage dann immer, wohin sie wollen und schlage Fahrtrouten vor“, sagt Klaus. Wissen ums Wiener Öffi-Netz sei schließlich Voraussetzung, um als Servicemitarbeiter zu arbeiten. „Und ich kenne mich ganz gut aus“, sagt Klaus. „Zumindest für einen Burgenländer“, schiebt er den Witz trocken hinterher.
Der letzte Schritt
Mit Englisch komme er bei den Touristen sehr weit. Sollte das Gegenüber aber noch immer nicht verstehen, gebe es nur einen Weg: „Im letzten Schritt nehme ich sie und setzte sie in die richtige Bahn.“ Aufstände gebe es dagegen keine. „Generell machen Touristen weniger Probleme als die Einheimischen.“
Aber auch die seien mit rationalen Argumenten zu beschwichtigen. „Es gibt ja nur zwei Optionen. Entweder wir modernisieren jetzt und es kommt zu kurzzeitigen Umleitungen. Oder wir fahren, bis es gar nicht mehr geht. Dann dauern die Arbeiten aber viel länger.“
Die kommenden zwei Wochen müssten also noch überstanden werden. Danach werden die Hilfesuchenden auch wieder weniger. Zumindest auf der Linie U4.
➤ Mehr lesen: Mit den Öffis von einer Baustelle zur nächsten
Kommentare