Auf Schutzsuche am Yppenplatz: Wiens fast vergessene Bunker
Dunkel, kalt und modrig ist es. Kleine Stalaktiten hängen bereits von den alten Rohren an der Decke. Und Licht, das gibt es im ehemaligen Luftschutzbunker unter dem Yppenplatz nur dank selbst mitgebrachter Taschenlampen.
Der Bunker wurde im Zweiten Weltkrieg genutzt. Er ist einer von rund 30 Bunkern, die 1940 errichtet worden sind – als Teil des „Führer-Sofort-Programms“.
Adolf Hitler hat damals die Order ausgegeben, dass in allen wichtigen Städten – darum auch in der Gaustadt Wien – solche Bunker zu errichten sind, sagt Marcello La Speranza.
Der Archäologe erforscht seit mehr als 30 Jahren den Untergrund der Stadt. Gemeinsam mit Fotograf Lukas Arnold bildet er das Forscherteam Wiener Unterwelten, dessen neues Buch „Verfallene Orte in Wien“ nun erschienen ist.
„Im Bunker erkennt man die oft zitierte deutsche Gründlichkeit“, sagt La Speranza. All diese Einrichtungen wurden nach einer streng vorgegebenen Norm errichtet.
44 einzelne Kammern gab es, Waschräume und zwei Maschinenräume, deren Gerätschaften von einem Bunkerwart bedient wurden.
Gedränge beim Eingang
Konzipiert waren die Bunker für 300 Personen – konkret für Mütter und ihre Kinder. Im Ernstfall drängte aber mindestens die doppelte Anzahl hinunter. Anfangs seien noch Bänke in den einzelnen Kammern gestanden, so La Speranza. Die wurden aber schon bald entfernt, um mehr Platz für hilfesuchende Menschen zu schaffen.
Außerhalb des Bunkers ist ein strahlender Frühlingstag – blauer Himmel, Sonnenschein. „An solchen Tagen waren damals die Bombenangriffe am wahrscheinlichsten, weil die besten Flugbedingungen herrschten“, sagt La Speranza. Zwischen 1943 und 1945 gab es 53 Luftangriffe auf Wien, der Alarm ging aber wesentlich öfter los.
Auf diesen warteten die Menschen aber nicht immer. „Es gibt Aufzeichnungen über Beschwerden bei Behörden, dass viele bei Schönwetter vor den Bunkern Stellung bezogen, um sicher einen Platz zu bekommen“, so La Speranza.
Der Bunker unter dem Yppenplatz – der Eingang ist unter der Rutsche am Kinderspielplatz – ist einer der wenigen in Wien, die noch begehbar sind. Die meisten anderen sind verschüttet, teilweise auch geflutet. Im Ernstfall würden aber auch die bestehenden Bunker keinen Schutz bieten.
Abgesehen von dem stark vorangeschrittenen Verfall sind sie nicht auf eine atomare Bedrohung ausgelegt. Tatsächlich hat der technische Fortschritt bei der Waffenentwicklung den Bunker schon im Zweiten Weltkrieg überholt. Ein 1940 errichteter Bunker war 1945 schon kein Garant mehr gegen die neuesten Bomben, sagt La Speranza.
Oft ausgeklammert
In Hamburg und Berlin gibt es ebenfalls Bunker des „Führer-Sofort-Programms“. Sie sind besser gewartet, es werden sogar Führungen veranstaltet. In Österreich stelle man sich nicht seiner nationalsozialistischen Vergangenheit, so La Speranza. Alles, was mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhänge, werde nur allzu gerne ausgeklammert.
Die Bunker seien ein schwieriges Thema, sagt La Speranza – weil sie von Zwangsarbeitern gebaut wurden, weil sie ein Zeichen dafür sind, dass Österreich ein wichtiger Teil Hitler-Deutschlands waren. Gleichzeitig hätten sie Tausenden Menschen das Leben gerettet. „Als Forscher betrachte ich sie ganz emotionslos“, so der Archäologe. Für ihn seien sie ein weiteres Zeugnis der fast 2.000-jährigen Kriegsgeschichte der Stadt.
Für den Bunker am Yppenplatz gab es schon mehrere Ideen. Unten, neben dem Eingang, hängt ein vergilbter Zettel mit einem jahrzehntealten Konzept für einen Party-Bunker. Damals wurde ein Disco-und Veranstaltungszentrum überlegt – auch als etwaige Hochzeitslocation. Auch jetzt gebe es immer wieder Anfragen, heißt es bei der zuständigen MA42. Der Renovierungsbedarf sei aber sehr hoch.
Vorerst verfällt der Bunker darum weiter – und nur vereinzelt beleuchtet die Taschenlampe eines Forschers diesen dunklen Teil der Stadtgeschichte.
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