Auf Messers Schneide: Solinger auf der Mariahilfer Straße geschlossen
29 Messerschmiede findet man laut Wiener Wirtschaftskammer in der Stadt. Wie viele Geschäfte es noch gibt, die Messer verkaufen und schleifen, könne man aber nicht genau sagen. Nur eines, weiß man sicher: Es wird dieses Jahr mindestens einen Laden weniger geben. Das Geschäft Solinger auf der Mariahilfer Straße hat die Rollos schon heruntergelassen.
Scharfe Auslage
Bekannt war der Solinger, gleich neben der Neubaugasse, auch für die Auslage: Ein überdimensionales Taschenmesser, Schwerter sowie Pfeil und Bogen zogen Schaufenstershopper quasi magnetisch an. Und das über Jahrzehnte hinweg, ein Traditionsunternehmen also. Schon seit den 1950er-Jahren zierte Solinger
Österreichs wichtigste Einkaufsstraße als Fachgeschäft für Stahl- und Schneidwaren, Messer, Scheren, Nagelpflege, Outdoor und Küchenhelfer. Beliebt nicht nur bei Abenteurern, die Taschenmesser sammelten, sondern auch bei Köchen und Kochamateuren. Kochmesser konnte man dort auch ab 20 Euro schleifen lassen. Außerdem befindet sich der Laden in einem nicht unbedeutenden Spätjugendstil-Haus, entworfen von Leopold Fuchs.
In dem Haus, das der Stiftung des verstorbenen Milliardärs und seinerzeitigen Billa-Gründers Karl Wlaschek gehört, befindet sich nämlich auch der im Jahr 1914 von Adolf Loos entworfene Kassensaal der ehemaligen Zentralsparkasse, später eine Bank-Austria-Filiale.
Leere Kassenhalle
Seit Langem ist die Kassenhalle aber verschlossen: Ab 2017 wurde der denkmalgeschützte Kassensaal und insgesamt 1.139 Quadratmeter Geschäftsfläche zum Textilladen Tally Weijl umfunktioniert. Die Billigmodemarke ging aber insolvent und seit einem Jahr steht der Laden, inklusive verglasten Ausgang an der Neubaugasse, leer. Für 70.000 Euro Miete findet sich wohl nicht so schnell ein Nachmieter. Auch weil die denkmalgeschützte Halle nicht nach Lust und Laune von Eigentümern genützt werden kann. So wird die Geschichte und der Denkmalschutz absurderweise für Interessenten zur Wertminderung statt zur Wertsteigerung.
Die Kassenhalle scheint aber schon längst vergessen: Derzeit bleiben Passanten vor dem geschlossenen Solinger stehen. Auf dem Flugblatt lesen sie, dass man wegen persönlicher und familiärer Gründe schließen musste. „Private Gründe“ antwortete der Eigentümer auf KURIER-Anfrage.
Angeblich soll jedoch die Miete so hoch gestiegen sein, dass es sich nicht mehr rentierte, zwischen einem geschlossenen Geschäft, Billigmode und Apotheke mit Corona-Teststation zu verweilen. Eigentümer Martin Blümner möchte sich auf seine Standorte im 1. Bezirk (Kärntner Straße, Singerstraße) konzentrieren. Dort kann man noch Messer kaufen und schleifen. Aber auch die Filiale auf der Kärntner Straße werde laut einem Mitarbeiter nicht ewig währen.
Ist der Messerhandel in der Krise?
„Der Fachhandel ist zwar im Wandel, aber Messer braucht man immer“, sagt dazu Andreas Lorenzi, ein anderer Messerhändler. Digitale Präsenz sei aber für jeden essenziell. Und er sehe auch, dass es prinzipiell für den Handel schwieriger werde, in A-Lagen, also in Einkaufsstraßen, aufgrund steigender Kosten überleben zu können.
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