Warum die kleinen Arkadentankstellen aus dem Stadtbild verschwinden

Ein Mann sitzt an einer Tankstelle auf einem Hocker und schaut auf sein Handy.
Immer mehr kleine Tankstellen mit Bedienung schließen in Wien. Eine der ältesten wurde nun trotzdem neu übernommen.

Oft weiß man erst was man hatte, wenn es nicht mehr da ist. Die kleinen Stadttankstellen mit Bedienung mitten in Wien zum Beispiel. Erinnern Sie sich noch an die Tankstelle neben dem Burgtheater oder an die neben der Börse?

In Wien gehören vor allem die Arkadentankstellen, das sind Tankstellen in Wohnhäusern, zum Stadtbild. Aber sie werden weniger. Das mag eher mit dem minimalen Gewinn zusammenhängen als mit der Verkehrswende. Erst vor wenigen Monaten beendete Kurt Weber das 90-jährige Tankstellen-Dasein der Apollo-Garage. Nur noch eine grüne Zapfsäule aus den 1950ern erinnert daran.

Eine Straße in Wien mit parkenden Autos und dem Leuchtschild der „Apollo Garage“.

In der Apollo-Gasse

Seit 90 Jahren gab es die Tankstelle in der Apollo-Garage.

Ein Mann in roter Arbeitskleidung geht an einem Parkhaus mit BP-Logo vorbei.

In dritter Generation

Vor Monaten musste der Tankstellen-Betrieb schließen. Der Gewinn war einfach zu gering.

„Wir mussten die Tankstelle schließen, wirtschaftlich befindet man sich zwischen Tod und Leben“, erklärt Weber. Er hätte aufgrund von Auflagen 30.000 Euro investieren müssen. Manche alten Tankstellen würden nur überbleiben, weil die Schließung (Entfernung der Pumpen) viel Geld koste. Dennoch hat Weber mit Wehmut die Tankstelle, die er in dritter Generation führte, geschlossen. Zu seinen Kunden zählte sogar Falco. Die Garage bleibt jedenfalls bestehen.

Eine Frau fährt mit dem Fahrrad auf einer Straße in Wien.

Torrefina-Tankstelle

In der Schottenfeldgasse wird auch die Torretina-Garage in dritter Generation gefühlt

Eine Tankstelle mit Zapfsäulen und einer Waschanlage im Hintergrund.

Waschstraße, Tankstelle und Garage

Auch hier gilt das Konzept der alten Tankstellen: Man kann das Auto hier reinigen, volltanken und vor allem parken.

Ein Mülleimer, ein Stuhl und ein Schild mit der Aufschrift „Autowäsche“ stehen an einer Wand.

Blick aus einem Parkhaus auf ein Gebäude mit einer Statue durch grüne Fensterläden.

Sechs Stockwerke

Auf sechs Stockwerken parken Autos - mit Blick auf die Kirche von Altlerchenfeld.

In einer Tiefgarage stehen mehrere Autos, teilweise mit Abdeckplanen versehen.

Stammkunden

Auch hier parken vor allem Stammkunden aus der nahen Umgebung.

Radfahrer fahren an einer Tankstelle der Marke Torrefina in der 1. Badhausgasse vorbei.

Arkaden-Tankstelle

Die Torrefina-Tankstelle gilt auch als Arkadentankstelle. Sie ist in einem Wohnhaus untergebracht, auch wenn dies als Parkhaus genutzt wird.

Aus Leidenschaft

Ein paar Häuser weiter steht in der Schottenfeldgasse die Torrefine-Tankstelle. Auch hier ist die Haupteinnahme-Quelle die sechsstöckige Garage, nicht die Tankstelle mit Bedienung.

Zapfsäule mit zwei Zapfpistolen für Super E5.

Johanna-Garage

Noch vor 1938 war die Johanna-Garage auf der Nummer 32 zu finden. Damals war sie noch eine Wagnerei für Pferdefuhrwerke. Unter Wasserdampf wurde damals das Holz gebogen.

Blick auf die Johanna-Garage und eine belebte Straße in einer Stadt.

Johanna-Gasse Nummer 28

Heute befindet sich die Johanna-Garage auf der Nummer 28. Man kann hier waschen, parken und kleine Reparaturen vornehmen lassen.

Eine Tankstelle mit Hinweisen auf Diesel, Super 95 und Videoüberwachung sowie einem Rauchverbotsschild.

Tankstelle mit Bedienung

Früher gab es in der Stadt nur Bedienungstankstellen. Man durfte nicht selbst tanken und die Menschen kannten sich mit der Mechanik nicht aus, sagt Andreas Weltler.

Eine orangefarbene Zapfsäule zeigt einen Preis von 1,999 Euro pro Liter an.

Arkadentankstelle im 5. Bezirk

1947 gründete Andreas Weltlers Großvater die Tankstelle. Er ging einen Vertrag mit "Mobil" ein. 

Ein lächelnder Mann steht vor einer Glasscheibe mit einem Castrol-Aufkleber.

Neuübernahme

Sinbad Vazquez hat die Tankstelle unlängst gekauft. Er möchte den alten Betrieb weiterführen. 

Bei den Arkadentankstellen findet man meist auch eine Waschanlage und Parkmöglichkeit. Das war damals so. Nahe des Margaretengürtels zeichnet sich in der Johanna-Garage ein neues Bild: Sinbad Vazquez hat vor Monaten die Tankstelle gekauft. Sie soll eine der ältesten der Stadt sein, wenn es nach dem ehemaligen Inhaber Andreas Weltler geht. Aber wieso kauft man heute so eine alte Tankstelle?

Ein Mann steht vor der „Johanna-Garage“ in einer städtischen Straße.

Sinbad Vazquez, neuer Tankstellenbesitzer in Wien.

„Als Kind bin ich gern mit meinem Vater zur Tankstelle in die Paulanergasse gefahren. Das war ein Erlebnis, selbst das Fahren durch die Waschstraße. Heute steht dort ein Supermarkt“, sagt Vazquez. Diese Betriebe wird es nicht ewig geben, meint er. Es seien jetzt schon Relikte, die man bewahren müsse. Als Autosammler – er hat 14 – war es eine logische Konsequenz irgendwann so einen Betrieb zu führen. „Es ist ein Boxenstopp, in zwei Minuten wird getankt, aber zugleich können Reparaturen erledigt und das Auto gewaschen werden.“ Er möchte das geben, was er sich für seine Autos wünscht.

Ein offener Schachtdeckel auf einer Straße in einer Stadt.

Eine Gruppe von Männern steht in einem Geschäft und unterhält sich.

Ein Mann reinigt die Windschutzscheibe eines weißen Lieferwagens mit einem Wischer.

Ein Mann ändert den Preis für Super Benzin auf einer Anzeigetafel.

Für Andreas Weltler, den ehemaligen Betreiber geht hingegen eine Ära zu Ende. „Mein Großvater hatte in der Vorkriegszeit hier eine Wagnerei für Pferdefuhrwerke. Unter Wasserdampf wurde das Holz gebogen“. Nach dem Krieg hat sein Großvater das Zukunftspotenzial der Autos erkannt. Er ging mit Mobil einen Vertrag ein, öffnete 1947 die Johanna-Garage.

Die Tankstelle bat Autowäsche per Hand an, Service und Garage. „Die Menschen kannten sich nicht mit den Autos aus, sie durften auch nicht selbst tanken“, sagt Weltler. Das ist übrigens auch heute in Brasilien noch so – aus Sicherheitsgründen wegen Brandgefahr.

Tanken war etwas Besonderes: Alleine, weil Autos etwas Rares waren. Man zog sich schick an. Auch als Weltlers Vater den Betrieb übernahm, waren die Kunden Unternehmer, Juweliere und Fleischer. Die Tankstelle wurde zum Grätzel-Treffpunkt. 1986 übernahm Weltler: Er stellte einen Kaffeeautomaten auf, zwei Hocker und funktionierte einen alten Palmers-Verkaufstisch zur Tankstellenkassa um. Dahinter steht heute Sinbad Vazquez. Wenn Stammgäste kommen, wie die Fahrschule Roth oder der französische Nachbar, der gerade an einem Buch schreibt, wird über Autos, Gott und die Welt gesprochen.

Graffito und Mobilität

Vazquez hat noch viel vor. Vor der Tankstelle hat er Getränkeautoamten aufgestellt. Ein großes Graffito ist an der Wand geplant. Und in der Garage möchte er ein kleines Automuseum gestalten. „Mein 1001 Mercedes SL gibt es nur zweimal auf der Welt, hier und in Abu Dhabi“, sagt er.

Ein Mann tankt sein schwarzes Auto in einer Waschstraße.

In Zukunft möchte er auch E-Fuels (synthetische Kraftstoffe) anbieten. „Vielleicht auch eine Fahrradwerkstatt“, sagt er. „Die Tankstelle wird sich weiterentwickeln müssen, so wie es auch Würstelstände machen “. Während Welter sich daran erinnert, wie lange es dauerte, die Benzinpreise per Hand mit Magnetstreifen zu ändern, sieht Vazquez in eine neue Zukunft. So wie aus der Wagnerei die Tankstelle wurde, soll die Tankstelle zu einem Ort der Mobilität werden. Damit man nicht erst vermissen muss, um zu merken, was einem fehlt.

Kommentare