Es riecht nach Abschied: Wiens älteste Parfümerie muss schließen
Ganz oben an der Wand prangt der Doppeladler, flankiert von Büsten der Kaiserin und des Kaisers. Im Geschäft, früher „Duftg’wölb“ genannt, riecht es nach Veilchen, dem Lieblingsparfüm Sisis, das hier noch in der Originalrezeptur erhältlich ist. Die Monarchie hat sich nie ganz verabschiedet in der kleinen Parfümerie Filz am Wiener Graben, der ältesten der Stadt. 1809, als Napoleon vor den Toren Wiens stand, wurde sie vom gelernten Parfümeur Anton Filz geöffnet. Fast 214 Jahre später, am 31. März 2023, wird sie schließen.
Damit verschwindet ein weiterer Traditionsbetrieb aus der Innenstadt. Mit einer bekannten Begründung: „Eine sehr hohe Mietforderung ließ den Entschluss reifen, das Unternehmen nicht mehr in gewohnter Weise weiter zu betreiben“, heißt es in einem Rundschreiben an Stammkunden. „Das Geschäft läuft super, die Pandemie haben wir gut überstanden“, sagt Cathrin Kresbach, die J. B. Filz (benannt nach Johann Baptist, dem Sohn des Gründers) in siebter Generation führt. „Aber die Miete kann sich ein kleiner Familienbetrieb unmöglich leisten.“
Krieg und Frieden
Die Geschichte der Parfümerie ist eng mit der Geschichte der Stadt verwoben. Als der Kongress tanzte und die feine Gesellschaft besonders gut aussehen (und riechen) wollte, erlebte J. B. Filz mit seinen selbst angerührten Cremes, Pomaden und Duftwassern einen ersten Aufschwung, der 1872 in der Ernennung zum k. u. k. Hoflieferanten gipfelte. „Man munkelt, dass Sisi ab und zu sogar selbst inkognito im Geschäft war“, erzählt Kresbach. Ihre Großmutter Gertrude Filz übernahm das Geschäft nach dem Zweiten Weltkrieg und musste oft schon am Vormittag wieder zumachen, weil die Ware so knapp war.
„Lange haben wir uns gedacht: Das Geschäft hat zwei Weltkriege überstanden, was soll schon passieren“, sagt die 54-Jährige. „Trauer und Ärger“ überkommen sie, wenn sie an die bevorstehende Schließung denkt. „Ich finde es arg, dass alle Innenstädte auf der Welt gleich ausschauen. Es gibt nichts Individuelles mehr, weil alles Individuelle kaputtgemacht wird.“
Dabei sei es genau das gewesen, was die Kunden so geschätzt haben: individuelle Betreuung und Beratung. In Gesprächen herausfinden, welcher Duft am besten passt. „Wir haben nicht nur das Verkaufs-, sondern immer auch das persönliche Gespräch gesucht“, sagt Kresbach. „Das macht doch das Leben aus. Und die Kunden haben es geliebt.“
Puderquaste für die Queen
Zu diesen zählten im Laufe der Jahrhunderte Touristen und Einheimische, Adelige und Politiker, Schauspieler und Schriftsteller. Heimito von Doderer liebte den hauseigenen Lavendelduft „Eau de Lavande“ und verewigte ihn 1951 sogar in seinem Kultroman „Die Strudlhofstiege“.
Doch es ist ein anderer Herr, der Kresbach und ihren Eltern besonders in Erinnerung bleibt. Sie öffnet eine der tiefen Schubladen und holt eine hellblaue Puderquaste aus Schwanendaunen heraus. „50 €“ steht auf der Rückseite, und: „Made in England“. „Der Hutmacher der Queen kam regelmäßig zu uns und hat für sie diese Quasten gekauft“, erzählt Kresbach. „Sie werden in England hergestellt, aber anscheinend hat er sie dort nirgends bekommen.“
Die Quasten sowie 10.000 andere Produkte – Kosmetika, Düfte, Accessoires – werden ab Februar abverkauft; ist alles leer, werden die hundertjährigen Holzschränke abgebaut und gelagert. Kresbach hofft, dass eines ihrer Kinder das Geschäft in irgendeiner Form weiterführen wird. Sie selbst tauscht bald Stadt gegen Land und wird den Sommer auf einer Alm verbringen. Die Zukunft wird bewegt, aber weniger duftend: Sie kehrt zurück in ihren alten Beruf – als Fahrlehrerin.
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