Auf großem Fuß: Wiener Schuhmuseum wird umgestaltet
Heutzutage leben die Menschen auf großem Fuß – und zwar buchstäblich. „Seit dem Jahr 1900 hat sich die Schuhgröße um durchschnittlich vier bis fünf Nummern vergrößert“, sagt Raimund Neubauer, ehemaliger Berufsschullehrer und orthopädischer Schuhmacher. Mittlerweile leitet Neubauer das Wiener Schuhmuseum in der Florianigasse im achten Bezirk.
Betrachtet man die dortigen Ausstellungsstücke, so stellt man sich zwangsläufig die Frage, wie die Damen und Herren jener Zeit überhaupt in diese winzigen Schuhe gepasst haben.
Glanz im Museum
Seit genau 20 Jahren beherbergen die Räumlichkeiten der Wiener Schuhmacher-Innung eine Ausstellung, die sich rund um das Thema Schuh dreht. Nach all der Zeit sei es laut Neubauer nun aber notwendig geworden, dem Museum neuen Glanz zu verleihen. „Der vorherige Leiter war Händler und kein Schumacher. Da fallen die Prioritäten natürlich ganz anders aus“, sagt Neubauer.
Bereits in einem Monat soll deshalb die neue Ausstellung präsentiert werden. Der Fokus soll dann wieder voll und ganz auf das Handwerk gerichtet sein. „Für mich muss ein Museum einen Bildungsauftrag erfüllen. Den möchte ich wieder zurückbringen.“ Konkret heißt das, dass es zukünftig zwei verschiedene geführte Touren geben wird. Zum einen die handwerkliche Tour, in der den Besuchern das Zunftwesen der Schuhmacher und deren Arbeitsleben nähergebracht wird. Zum anderen die Führung rund um das Thema Leder.
Sondermüll
Denn nicht alles, was Leder genannt werde, habe diesen Namen auch tatsächlich verdient. „Die Menschen denken bei Leder immer an ein Naturprodukt. Meistens bekommen sie aber nur Sondermüll“, sagt Neubauer. Eine Haut könne nämlich nur dann hochwertiges Leder werden, wenn die Verarbeitungsmethode, also die Gerbung, hochwertig sei.
Dazu komme, dass heutzutage hauptsächlich mit Stoffen aus der chemischen Industrie gegerbt werde. „Das Leder übernimmt die Eigenschaften der Gerbstoffe. Auch die Schlechten. Schadstoffe zum Beispiel, nebeln aus. Das heißt, sie werden im Laufe der Zeit wieder abgegeben“, sagt Neubauer. Industriell hergestellte Lederschuhe barfuß zu tragen sei deshalb alles andere als empfehlenswert. „Die Menschen können das aber nicht wissen. Hier sollen sie es lernen.“
Ledertruhe
Damit das auch tatsächlich klappt, entstehe derzeit eine „Ledertruhe“. Den Menschen soll die Möglichkeit geboten werden, unterschiedliche Lederarten in die Hand zu nehmen und den Unterschied zwischen Gerbstoffen und -methoden zu fühlen.
Handwerk im Museum
Fast alles könne nämlich zu Leder werden. „Meine Schüler haben einmal Ratten gefangen und zu Leder verarbeitet“, sagt Neubauer. Und nach dem Zweiten Weltkrieg seien Lederarmbänder aus Hühnchenbeinen entstanden.
Aufgrund seiner Vielseitigkeit war Leder jahrhundertelang das Material der Schuhmacher. Mittlerweile hat sich die Produktion von Schuhen aber großteils in die Industrie verlegt. Zwar gebe es noch einige Schuhmacher, echtes Handwerk benötige aber dennoch einen Platz im Museum.
Mehr Frauenschuhe
Zwischen historischen Skischuhen und ledernen Kanalarbeiterschuhen stehen im Museum auch die Schuhe echter Herrscher und Promis. Dort die Glitzer-Schuhe von Sisi, hier die Fußballschuhe von Matthias Sindelar.
Sisis Glitzerschuhe finden sich in der Ausstellung
Auch Kaiser Franz Josephs abgetretene Stiefel finden ihren Platz. Ihren Weg ins Museum fanden sie über einen Diener. Franz Joseph verschenkte seine gebrauchten Schuhe
Auch Kaiser Franz Josephs abgetretene Stiefel finden ihren Platz. Dass prinzipiell mehr Frauen- als Männerschuhe im Museum stehen, sei kein Zufall. „Männer tragen ihre Schuhe bis zum Ende oder verschenken sie, wie im Fall von Franz Joseph, irgendwann weiter. Frauen hingegen sammeln alle ihre Schuhe“, sagt Neubauer. Genauso wie das Museum unterliegt auch das Schuhwerk einem ständigen Wandel. Modelle und Trends kommen und gehen. Im Frühling stellt man sich aber auf besonderes Schuhwerk ein: Sandalen.
Schutzlose Füße
Offene Schuhe gebe es aber noch gar nicht so lange. „Früher schützten die Schuhe vor dem schlechten Untergrund. Erst mit festen Straßen hat man begonnen, offene Schuhe zu tragen.“ Die Römer seien da freilich eine Ausnahme gewesen – aufgrund der Schalenform ihrer Sandalen waren aber auch die Seiten ihrer Füße geschützt.
Damals hatten die Menschen aber auch noch kleinere Füße.
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