Arbeiten im Majolika-Haus: Heikler Eingriff am Jugendstil-Juwel
In Otto Wagners berühmtestem Wienzeilen-Bau wurden Leitungen getauscht und die denkmalgeschützten Wände mit dem Stuck aufgestemmt. Jetzt werden sie aufwendig restauriert.
Otto Wagner liebte es sauber. Architektur gewordener Ausdruck seines Hygiene-Anspruchs ist das Majolika-Haus in der Linken Wienzeile 40. Dessen Fassade ist mit Fliesen verkleidet – das Haus lässt sich dadurch leicht reinigen.
Tritt man dieser Tage in das Gebäude, hört es sich mit der sauberen Optik aber bald auf.
Im Stiegenhaus, das für das schmucke Geländer der gewendelten Treppe und das dekorative Aufzuggitter berühmt ist, schaut es derzeit etwas wild aus. Die Türen zu den Wohnungen sind mit Plastikplanen verhängt, entlang der Gas-Steigleitungen sind die Wände aufgestemmt.
Der Grund: Eine Überprüfung im September hat ergeben, dass einige Stränge undicht waren. Sie mussten getauscht werden. Und dabei wurden notgedrungen der für Wagner typische Stuckdekor, die Rahmungen und die Linierungen an den Wänden in Mitleidenschaft gezogen.
Enges Korsett
Zwar gibt es nun seit rund einem Monat wieder Gas, die Wunden an den Wänden sind aber nach wie vor offen: Ein schmerzlicher Anblick für Architektur-Fans. Noch dazu einer, der im ersten Moment paradox erscheint.
Immerhin steht das gesamte Majolika Haus – also auch sein Inneres – unter Denkmalschutz. Das heißt: Der Bau darf eigentlich nicht verändert werden.
Die Basis dafür ist das Denkmalschutzgesetz. Darin heißt es, dass geschützte Gebäude vor „Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland“ zu bewahren sind. Von dem Veränderungsverbot gibt es aber Ausnahmen.
So kann der Eigentümer beim Denkmalamt vorab um eine Veränderung ansuchen. Das geschieht etwa, wenn Wohnungen auf den aktuellen Stand gebracht werden sollen.
Erlaubt sind Adaptionen auch, wenn – wie bei Gasgebrechen oft der Fall – Gefahr in Verzug ist. Selbst in letzterer Situation haben die Denkmalschützer aber noch Einiges mitzureden.
Otto Wagner
Der Architekt (1841–1918) wurde wegen seiner Jugendstilbauten und stadtplanerischen Visionen weltberühmt. Zu seinen bekanntesten Bauten zählen die Stadtbahn, die Postsparkasse, die Kirche am Steinhof und das Majolika-Haus.
Wienzeilen-Häuser
Zwischen 1898 und 1899 ließ Wagner die von ihm geplanten Zinshäuser in der Linken Wienzeile 40 (Majolika-Haus) und 38 (Musenhaus) sowie in der Köstlergasse 3 bauen. Die Fliesen für das Majolika-Haus entwarf Wagners Schüler Alois Ludwig, die Wienerberger Ziegelfabrik fertigte sie an. Majolika ist übrigens die Bezeichnung für bunt bemalte, zinnglasierte Keramik.
Bewahrung
Heute gehört das Majolika-Haus der Organisation Haus der Barmherzigkeit. Verwaltet wird es von der Erzdiözese Wien über eine externe Kanzlei. Seit 1951 steht das Haus unter Denkmalschutz.
Im Notfall ist zwar vorab kein amtliches Okay nötig, um etwa eine Wand aufreißen zu können. Aber, um eben diese wiederherzustellen.
Mit Argusaugen
Beim Majolika-Haus wird Manuela Legen-Preissl diesen Sanctus geben. Sie ist in der Abteilung für Wien des Denkmalamts Referentin und als solche für sämtliche Denkmäler im 5. und 6. Bezirk zuständig.
Mit ihr muss der Eigentümer alle weiteren Schritte abstimmen, die dem Stiegenhaus seinen alten Glanz zurückbringen sollen.
Dass dies möglich ist, scheint für Laien aktuell zwar schwer vorstellbar, ist aber nicht zuletzt dank alter Handwerkskunst möglich.
Exakte Nachbildung
„Das originale Erscheinungsbild muss jedenfalls wiederhergestellt werden“, sagt Legen-Preissl. Derzeit hole die Hausverwaltung Anbote dafür ein. Das könnte noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, denn nicht jede Firma ist den Anforderungen gewachsen.
So gilt es etwa, die Struktur des Originalputzes und den Ton des Anstrichs exakt zu kopieren. Konkret heißt das: „Geglättete Oberfläche, heller Ockerton.“
Weiters müssen sämtliche Zierelemente wieder an ihren Platz. Für den Stuck wird dazu die Form von intakten Originalen abgenommen. Basis dafür ist ein restauratotisches Gutachten, das das Denkmalamt verlangt.
Alte Techniken
Die Herausforderung dabei: Nur noch wenige Handwerker beherrschen die nötigen Techniken. Daher bietet das Denkmalamt sogar eigene Schulungen an.
„Da lernen Maurer etwa, wie sie Kalkputz anrühren“, sagt Legen-Preissl. Für gewisse Arbeiten braucht es auch Restauratoren.
Bevor die Handwerker im Majolika-Haus loslegen, müssen sie der Denkmalschützerin ihr Können auf einer Musterfläche demonstrieren.
Nur wenn die Arbeiten adäquat ausgeführt wurden, dürfen sie fortfahren – und das Stiegenhaus wieder zu einem Ort der Sauberkeit machen.
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